Tirol und die PCR-Tests – nach dem Skandal um die HG Labtruck, der juristisch erst aufgearbeitet wird, steht das Land für die Neuvergabe nun wieder in der Kritik.

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Innsbruck – Der Skandal um die Vergabe des bis dahin größten PCR-Test-Auftrags in Tirol wird derzeit juristisch aufgearbeitet. Das Land hatte im September 2020 die Firma HG Labtruck ohne Ausschreibung mit der Durchführung des Großteils der Tiroler Tests beauftragt. Im Frühjahr dieses Jahres wurde durch Recherchen des ORF Tirol und des STANDARD bekannt, dass es Zweifel an der sach- und fachgerechten Durchführung dieser Tests durch die HG Labtruck gibt. So ist etwa bis heute nicht bekannt, welcher Labormediziner die PCR-Tests befundet hat.

Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft hat daraufhin die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingeschaltet. Sie hat ihre Prüfung des Falles nun abgeschlossen und diese Woche einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt. Über den Inhalt ist nichts bekannt. Wie es in dem Fall weitergeht, werde letztlich das Justizministerium entscheiden. Auch der Tiroler Landesrechnungshof befasst sich derzeit im Rahmen einer Sonderprüfung mit dem Fall.

Vier Lose neu vergeben

Das Land Tirol hat indes die PCR-Testungen mit Juli neu ausgeschrieben. Wie nun bekannt wurde, kamen drei Bieter und Bietergemeinschaften zum Zug. Dazu wurde Tirol in vier Lose unterteilt: Für die Regionen West und Ost ist künftig das Wiener Großlabor Lifebrain zuständig, das dort schon mehr als drei Millionen Gurgeltests ausgewertet hat. Allerdings läuft gegen Lifebrain derzeit ein Verfahren wegen unlauteren Wettbewerbs. Die Wiener Ärztekammer hat das Labor geklagt, weil es keine medizinische Einrichtung sei. Für das Land Tirol ist das aber kein Ausschlussgrund.

Kurios ist die Vergabe der Lose Mitte, also Innsbruck, und Süd, also Osttirol. So kam in Innsbruck die Bietergemeinschaft dreier Tiroler Labore zum Zug, der auch der Osttiroler Mediziner Gernot Walder angehört. Osttirol ging wiederum an die Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck unter der Leitung von Dorothee von Laer.

Billigstbieter und Nichtmediziner

Grund für die geografisch unlogische Zuteilung ist das anonymisierte Ausschreibungsverfahren, das nach dem Billigstbieterprinzip entschieden wurde. Für den Osttiroler Walder dennoch ein Ärgernis: "Es entbehrt in Zeiten des Transitproblems nicht einer gewissen Komik, dass nun die Proben quer durchs Land oder bis Wien kutschiert werden müssen." Schwerer wiegt für Walder jedoch, dass man seitens des Landes allein nach dem Billigstbieterprinzip entschieden hat und sonst keine Kriterien zählten.

Walder fordert seit langem, dass die Laborauswertung der PCR-Tests wieder nur humanmedizinschen Laboren vorbehalten sein sollte. Das Gesundheitsministerium hatte dies Regelung zu Beginn der Pandemie gelockert und auch nichthumanmedizinischen Labors die Testnalysen erlaubt. Man hatte befürchtet, sonst nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung zu haben. "Mittlerweile zählt dieses Argument nicht mehr, und man sollte das zurück zu den Fachärzten geben", sagt Walder.

Fragen wirft auch das Angebot der Medizinischen Universität Innsbruck auf. Denn sie arbeitet mit der Nachfolgefirma der HG Labtruck namens Novatium zusammen. Dieses Unternehmen wurde Anfang April von Kemal Cakar gegründet, der bis vor kurzem als Sprecher der HG Pharma, 100-Prozent-Eigentümerin der HG Labtruck, tätig war.

Novatium als Partner der Med-Uni Virologie

Virologin von Laer erklärt bezüglich der Zusammenarbeit, dass Novatium nichts mehr mit der HG Labtruck zu tun habe: "Das haben die Uni und ihre Anwälte auf Herz und Nieren geprüft. Die Novatium ist eine Auffanggesellschaft für Mitarbeiter und Gerätschaften der HG Labtruck. Auch die IT-Lösung der HG Labtruck, die entscheidend ist, wurde von der Novatium übernommen, was dem Land wichtig war."

Sie arbeite bereits seit zwei Monaten reibungslos mit dem neuen Unternehmen zusammen. Ihr sei wichtig, dass die Mitarbeiter übernommen würden. Von Laer war Ende Mai eingesprungen, nachdem der Skandal um die HG Labtruck publik wurde, und hat die labormedizinische Leitung übernommen, damit weiterhin Tests analysiert werden konnten. Novatium-Geschäftsführer Cakar war für eine Stellungnahme am Mittwoch nicht erreichbar. Für die HG Pharma sei er aber nicht mehr tätig, bestätigte das Unternehmen. Zur Aufteilung Tirols in vier Lose, von dem sie jenes in Osttirol erhielt, sagt von Laer: "Das ist natürlich nicht ideal für uns, aber es ist wichtig, dass wir weiter Zugang zu Proben für die Forschung und Studien haben."

Das Auftragsvolumen der nunmehr europaweit ausgeschriebenen Tiroler PCR-Testungen für den Zeitraum von 1. Juli 2021 bis 30. Juni 2022 soll insgesamt 38,9 Millionen Euro betragen. Wobei das von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten PCR-Tests abhängen wird. (Steffen Arora, 22.7.2021)