Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) muss sich erneut gegen türkisen Widerstand wehren.

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Für Kurz ist im Kampf gegen den Klimawandel der "einzig richtige Zugang, auf Innovation und Technologie zu setzen".

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Wien – Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat sich Donnerstagvormittag zu den Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geäußert, wonach die Bekämpfung des Klimawandels ohne Verzicht möglich sei. Die Bundesregierung habe Verantwortung übernommen, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Dafür brauche es jedes Jahr neue Schritte, so Gewessler, die an der Evaluierung großer Straßenbauprojekte wie dem Lobautunnel oder der S 18 in Vorarlberg festhält.

Mit der Kritik von Kanzler Kurz, wonach Klimaschutz "kein Weg zurück in die Steinzeit sein sollte", konnte Gewessler "wenig anfangen". Schließlich stelle der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen infrage. Sie stehe daher für eine "konsequente Politik", die sie "mutig voran" führen wolle. "Auf einem kranken Planeten gibt es kein gesundes Wirtschaften", sagte Gewessler, die auf die Extremwetterereignisse der vergangenen Tage in Österreich und Deutschland verwies.

Auch Köstinger und Maurer äußerten sich

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die ebenso wie Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) beim Pressetermin anwesend war, sprach davon, dass "es auch in Zukunft große Bauprojekte in Österreich" geben werde. Sie unterstützte damit die Aussagen von Kanzler Kurz. Der Streit zwischen den Grünen und der ÖVP sei "keine große Belastung", immerhin funktioniere die Koalition trotz Meinungsunterschieden "ganz gut".

Doch damit machte Köstinger die Rechnung wohl ohne die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Diese rückte Stunden später aus, um die Aussagen des Kanzlers als "persönliche Meinung" abzutun. "Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit", sagte sie im Gespräch mit der APA. Sie verwies auf den Entschließungsantrag im Nationalrat, der die Prüfung einer umweltfreundlicheren und schnelleren Alternative zur S 18 vorsieht – und mit Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos beschlossen wurde.

Kurz stützt S-18-Projekt

Die Diskussion trat zuletzt der Bundeskanzler selbst los, der in den "Vorarlberger Nachrichten" davon sprach, dass es der falsche Weg sei, zu glauben, dass wir das Klima dadurch retten könnten, dass wir uns im Verzicht üben. "Der einzig richtige Zugang ist, auf Innovation und Technologie zu setzen", sagte Kurz und widersprach damit diametral Gewessler, die den Verkehr als großes Sorgenkind sieht.

Die Frage, ob man als Politiker den Menschen heute guten Gewissens sagen kann, dass es auch ohne Verzicht gehen wird, beantwortete Kurz mit "Ja, das kann man. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte. Ich halte weder etwas von der ständigen Politik des erhobenen Zeigefingers noch von Fantasien, dass man irgendwie leben könnte wie im vergangenen Jahrhundert."

Kurz versteht Gewessler nicht

Dementsprechend steht Kurz in der Debatte um den Bau der Schnellstraße S 18 in Vorarlberg auf der Seite von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Dass die ÖVP im Parlament diese Woche einen grünen Antrag unterstützt hat, der von Infrastrukturministerin Gewessler eine Prüfung zur S-18-Schnellstraße fordert, versteht Kurz nicht.

Er wisse nicht, was hier passiert sei, sagt der Kanzler. "Ich kann nur für mich sprechen. Ich stehe auf der Seite der Bevölkerung und an der Seite des Landeshauptmannes. Wir sind uns einig, dass es sich um ein notwendiges Infrastrukturprojekt handelt, das vor langer Zeit beschlossen wurde und somit auch umgesetzt werden sollte."

Wallner: "Werde ich nicht akzeptieren"

Als Alternative soll laut dem im Parlament beschlossenen Antrag eine Tunnelverbindung zwischen der Schweizer N 13 und der Vorarlberger A 14 (Rheintalautobahn) bei Hohenems-Diepoldsau erörtert werden. Wer so tue, als ob der Tunnel die S 18 ersetzen könne, "agiert aus meiner Sicht unehrlich", zeigte sich Landeshauptmann Wallner verärgert. Vorarlberg habe in einem konsensorientierten Planungsverfahren jahrelang alle Varianten x-fach geprüft, in weiterer Folge habe die Asfinag die Trassenentscheidung getroffen. "Der Tunnel bei Diepoldsau und die S 18 haben miteinander nichts zu tun, das wird vermischt, das werde ich nicht akzeptieren", so der Landeshauptmann.

Auch die Bürgermeister von Hohenems und Altach sprechen sich gegen eine Vermischung der Projekte aus. Unterstützung für den Antrag im Nationalrat kommt dagegen von Naturschutzanwältin Katarina Lins. (balm, APA, 22.7.2021)