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Shalev Hulio ist der Geschäftsführer der NSO Group.

Foto: Reuters / AMMAR AWAD

Eigentlich sah Shalev Hulio seine große Chance in der Welt der Serviceleistungen. Der mittlerweile 40-Jährige wollte Mobilfunkern eine Technologie anbieten, die hilft, Probleme mit dem Smartphone schnell zu beheben. Kunden sollten nicht mehr den Anweisungen eines Technikers am Telefon folgen, was meist für beide Seiten ein mühsamer Prozess ist. Stattdessen versendet der Techniker lediglich einen Link, auf den ein Kunde klicken muss, und schon wird die Angelegenheit direkt gelöst. Digitale Fernwartung mit einem Klick.

In einem Interview mit dem "New York Times"-Journalisten Ronen Bergman erklärte Hulio vor zwei Jahren, dass es eigentlich nie seine Absicht gewesen sei, in die IT-Security einzusteigen. Erst ein Gespräch mit einem Mitarbeiter eines europäischen Geheimdienstes soll die Gründung der NSO Group Technologies losgetreten haben. Denn dieser fragte Hulio, weshalb er die Technologie nicht dafür nütze, um heimlich Smartphones auszuspähen. Offenbar hinterließ dieses Gespräch bleibenden Eindruck.

2010 fand die Firmengründung statt, und mittlerweile hat Hulio, ein Sohn rumänischer Holocaust-Überlebenden, die Verantwortung für über 800 Mitarbeiter. Die Firma ist gegenwärtig einer der Marktführer im Bereich der Überwachungstechnologien. Dabei wird Hulio nicht müde, zu erwähnen, dass die Firma genauestens prüfe, an welche Institutionen ihre bekannteste Spyware, Pegasus, verkauft wird. Laut eigenen Angaben besitzt die NSO etwa 60 Kunden in 40 Ländern.

Im Jahr 2016 erfuhr die Öffentlichkeit von der Existenz der Pegasus-Cyberwaffe. Unter anderem war der Menschenrechtsaktivist Ahmed Mansoor damit ausspioniert worden. Der Blogger aus den Emiraten wurde in weiterer Folge festgenommen und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Aber auch als 2018 der saudische Journalist Jamal Khashoggi in der Türkei ermordet wurde, soll die Software eine Rolle gespielt haben. Aller Kritik zum Trotz sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass auch Mafiagrößen wie Joaquin "El Chapo" Guzmán mithilfe von Pegasus erfolgreich das Handwerk gelegt wurde.

Hulio hat selbst keine IT-Ausbildung erfahren. Seinen Aussagen zufolge studierte er an einer Schule in Haifa Kunst und Theater, um dann eine Karriere beim israelischen Militär anzutreten. Danach versuchte er sich in den USA als Verkäufer und kehrte später für ein Jus-Studium nach Israel zurück. Hulio sieht sich als Kämpfer für die gute Sache: Seine Software, so sagt er, werde täglich eingesetzt, um Pädophilie-, Sex- und Drogenhändlerringe zu zerschlagen oder entführte Kinder wieder nach Hause zu bringen. In die Kategorie der Kriminellen fallen jedoch definitiv nicht die unzähligen ausspionierten Journalisten, Politiker und Menschenrechtsaktivisten.

Ein jüdisches Sprichwort besagt: "Auch mit edlen Ideen kann man die Welt verwüsten." Dies wird dem ehemaligen Soldaten dieser Tage vielleicht mehrmals durch den Kopf gegangen sein. (Florian Zsifkovics, 23.7.2021)