Kurz' Ansagen zum Klimaschutz sind entlarvend.

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Kanzler Sebastian Kurz will endlich über den Klimaschutz sprechen. Zeit wird es, könnte man meinen. Immerhin hat der ÖVP-Chef das Thema in der Vergangenheit bravourös umschifft. Schweigen ist Gold, könnte man im Nachhinein meinen. Denn jetzt, wo Kurz Klartext gesprochen hat, wird klar, dass ihm Klimaschutz entweder gleichgültig ist oder dass er das Ausmaß der Krise und das eigene Versprechen der Klimaneutralität nicht verstanden hat. Ersteres wäre fatal – im wahrsten Sinne des Wortes. Letzteres angesichts seiner Position traurig, aber zumindest könnte dem Kanzler Nachhilfe gegeben werden.

Der ÖVP-Politiker meint, Klimaschutz dürfe uns nicht zurück in die Steinzeit versetzen. Das wird Klimaschutz nicht tun – sondern uns in eine bessere Zukunft führen. Klar ist: Wenn wir nichts tun, muss sich auch Kurz an Bilder überschwemmter Städte, an Überflutungsopfer und Hitzetote gewöhnen. Nicht nur das: Er muss die Verantwortung dafür mittragen. Das Einzige, was zurück in die Steinzeit führt, ist die ewig gestrige Aussage des Kanzlers.

Reiner Populismus

Was Kurz in dem Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" erzählte, war reiner Populismus – ohne faktische Grundlagen. Ja, Technologie und Innovation sind im Klimaschutz wichtig. Die Technologien, die notwendig wären, um bis Mitte des Jahrhunderts zu einer Netto-Null zu kommen, gibt es schlichtweg nicht. Das heißt nichts anderes, als dass Treibhausgase jetzt massiv reduziert werden müssen, damit unumkehrbare Kipppunkte nicht überschritten werden. Die Zeit, um auf einen technologischen Riesensprung zu warten, gibt es nicht.

Auch darüber hinaus sind des Kanzlers Argumente für einen politischen Entscheidungsträger fahrlässig. Kurz sagt: "Es wäre vollkommen falsch, zu glauben, dass wir in Zukunft das Klima dadurch retten können, dass wir uns nur noch im Verzicht üben." Er spricht von der Zukunft, wenn Klimaschutz jetzt notwendig ist. Ganz abgesehen davon, dass man das Klima nicht retten kann – sondern nur alles tun sollte, um die Klimaerwärmung möglichst einzudämmen. Die Rhetorik des Verzichts ist klug gewählt, wenn man Klimaschutz verhindern will. Die Botschaft an die Bevölkerung: Habt Angst, euch wird etwas genommen!

Verantwortung übernehmen

Die eigentliche Nachricht sollte lauten: Habt Angst vor dem, was auf uns zukommt, wenn wir nichts tun. Seht einen Umstieg vom Auto auf den Zug nicht als Verzicht, sondern als Möglichkeit für eine lebenswertere Zukunft. Kein Klimaforscher sagt, dass wir uns nicht mehr bewegen dürfen. Nur die Art und Weise muss sich verändern. Und dafür ist Kurz höchstpersönlich verantwortlich. Die ÖVP will Chancengleichheit zwischen Stadt und Land? Dann muss der Kanzler die nötigen Mittel lockermachen, um den ländlichen Raum ans Öffi-Netz anzuschließen und Modelle für den letzten Kilometer umzusetzen. Ideen dafür gibt es mehr als genug.

Kurz will einen "respektvollen Umgang mit der Schöpfung". Was er aber selbst sagt und tut, hat nichts mit Respekt zu tun. Es ist eine Verhöhnung zehntausender junger Menschen, die seit Jahren mehr Klimapolitik vom Kanzler fordern. Es ist eine Verhöhnung jener, die derzeit im Keller stehen und diesen vom Schlamm befreien. Das mehr als entlarvende Interview hat gezeigt, dass Kurz, der immerhin künftig dem Klimakabinett Österreichs vorsitzen soll, ein Kanzler ohne Zukunftsvision ist. (Nora Laufer, 22.7.2021)