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Die EZB denkt noch nicht daran, bald auf die geldpolitische Bremse zu treten.

Foto: REUTERS / Ralph Orlowski

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Politik der offenen Geldschleusen in der Eurozone de facto einzementiert. Nach der ersten Zinssitzung nach dem Kurswechsel zu einer neuen geldpolitischen Strategie bekräftigten die Frankfurter Währungshüter ihren expansiven Kurs: Die Zinsen bleiben auf Rekordtief, und die milliardenschweren Wertpapierkäufe werden fortgesetzt. Eine Abkehr davon ist bis auf weiteres nicht in Sicht.

Nicht angetastet wurden daher am Donnerstag die wichtigsten Zinssätze. Der Leitzins beträgt weiterhin 0,0 Prozent, seit März 2016 verharrt er nunmehr auf diesem Niveau. Jener für Bankeinlagen bei der Zentralbank bleibt unverändert bei minus 0,5 Prozent, wo er seit September 2019 liegt.

Zwei Prozent Inflation

Nötig wurde der am Donnerstag präsentierte zinspolitische Ausblick durch den Strategiewechsel, den die Notenbank im Juni vollzogen hatte. Kernelement der überarbeiteten Strategie ist mehr Spielraum im Umgang mit der Inflation: Künftig strebt die EZB für die 19 Staaten des Euroraums eine jährliche Teuerungsrate von genau zwei Prozent an. Vorübergehend will die Zentralbank akzeptieren, dass diese Marke moderat über- oder unterschritten wird, ohne gleich mit geldpolitischen Mitteln gegenzusteuern.

Bisher lautete das Inflationsziel der EZB unter, aber nahe bei zwei Prozent. Da die Inflation im Euroraum seit Monaten steigt und mit 1,9 Prozent im Juni die alte Zielmarke erreichte, war der Druck auf die Notenbank gestiegen, den Ausstieg aus der Politik des extrem billigen Geldes anzugehen – zumal die Teuerung in Ländern wie Österreich oder Deutschland noch höher liegt. Mit der neuen Strategie kann die EZB ihren Kurs dennoch beibehalten.

2022 weniger Inflationsdruck

Denn auch EZB-Chefin Christine Lagarde rechnet erst Anfang nächsten Jahres mit nachlassenden Inflationsraten. "Es ist noch ein gutes Stück Weges zu gehen, bevor die Auswirkungen der Pandemie auf die Inflation beseitigt sind", sagte sie am Donnerstag. Schwaches Lohnwachstum und höhere Euro-Wechselkurs dürften hingegen den Inflationsdruck vorerst dämpfen.

Volkswirt Friedrich Heinemann vom ZEW sieht in dem neuen Ausblick nicht nur eine andere Rhetorik, sondern auch eine Veränderung in der Sache: "Mit dem überarbeiteten zinspolitischen Ausblick immunisiert die EZB ihre Negativzinsen und die Anleihekäufe auf lange Zeit gegen einen überraschend starken Inflationsanstieg." Wobei die Teuerung generell in der Zielfunktion der Währungshüter an Gewicht verloren habe. "In der praktischen Konsequenz bedeutet all dies die Fortdauer der Null- und Negativzinsen bis mindestens 2023", erwartet Heinemann.

EZB-Chefin Lagarde hatte aber schon im Vorfeld durchblicken lassen, dass die EZB noch nicht gedenkt, an ihrer ultraexpansiven Geldpolitik zu rütteln: "Es ist jetzt nicht die Zeit, um über eine Ausstiegsstrategie zu sprechen", sagte sie vergangene Woche. "Wir müssen sehr flexibel sein und dürfen nicht die Erwartung wecken, dass der Ausstieg in den nächsten Wochen oder Monaten erfolgt."

Corona-Nothilfen bleiben

Die Währungshüter teilten zudem mit, dass die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms weiterhin deutlich umfangreicher ausfallen sollen als zu Jahresbeginn. Die EZB hatte das Tempo der Käufe im Frühjahr im Vergleich zum Jahresstart deutlich erhöht. Das monatliche Volumen lag zuletzt bei 80 Milliarden Euro. Das im Frühjahr 2020 aufgelegte Programm, das Staats- und Firmenanleihen sowie andere Wertpapiere umfasst, wurde bereits zweimal aufgestockt.

Es hat nun einen Gesamtrahmen von 1,85 Billionen Euro, die Käufe sollen bis März 2022 fortgesetzt werden. Das Pepp genannte Programm soll der Bekämpfung der Corona-Krise dienen und günstige Finanzierungsbedingungen sicherstellen. Zudem führt die EZB auch ihr reguläres Wertpapierkaufprogramm unverändert in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Monat fort. (Alexander Hahn, 22.7.2021)