Die Elektrohalle Rhomberg zeigt mit "Everyone I’ve ever known" Arbeiten von u. a. Navot Miller.

Foto: Elektrohalle Rhomberg

Mit dem neuen Jedermann Lars Eidinger werden die Salzburger Festspiele ein bisschen mehr Pop, schließlich gilt der Mann als Popstar der Berliner Schaubühne und betätigt sich nebenbei gern als DJ. Mit seinen Smartphone-Schnappschüssen hielt Eidinger zuletzt außerdem auch Einzug in deutsche Ausstellungshäuser. Man wäre deshalb nicht überrascht gewesen, hätte man Eidingers Insta-Kunst jetzt auch in Salzburg zu Gesicht bekommen. Doch die hiesigen Galerien hielten sich diesbezüglich nobel zurück – Bühne bleibt Bühne und die bildende Kunst das sorgsame gepflegte Bonusprogramm zur Festspielzeit. Erstmals auch mit einem von der Salzburger Wirtschaftskammer organisierten Gallery Weekend (27. bis 31. Juli).

Auch Gäste mischen beim hochkarätigen Kunstaufgebot kräftig mit, Wienerroither & Kohlbacher etwa übernehmen die Räumlichkeiten der ehemaligen Sommergalerie von Heike Curtze in der Kollegienkirche und beleuchten dort die Auswirkungen der frühen Wiener Moderne auf den Wiener Aktionismus.

Minimalismus der Marke Donald Judd regiert wiederum in Thaddaeus Ropacs Stammhaus am Mirabellplatz, wo selten gezeigte Boden- und Wandstücke, häufig in dem für Judd typischen Kadmiumrot, ihre stille, auratische Präsenz entfalten, während im Project Room mit Marcel Duchamps Porte-bouteille dem Readymade-Urknall gehuldigt wird.

Donald Judd: Untitled, 1990
Foto: Courtesy Judd Foundation, Foto: Galerie Ropac

Industriehalle wurde zu hippem Kunstort

Ungleich knalliger geht es im Gewerbegebiet hinter dem Salzburger Hauptbahnhof zu, wo sich eine ehemalige Industriehalle zum hippen Kunstort gemausert hat. Das von Boris Lesicky und Josef Pipo Eisl verantwortete Programm der Elektrohalle Rhomberg legt den Fokus auf österreichische Kunst, mit Navot Miller ist aktuell aber ein aus Israel gebürtiger Wahlberliner zu Gast, der in kräftigen Farben und flächiger Malweise, die mit David Hockney flirtet, unter dem Titel Everyone I’ve ever known eine Art Familienaufstellung betreibt.

Man sieht mit surrealen Elementen versetzte Alltagsszenen, in denen Liebhaber, Freunde, Familienmitglieder des Künstlers auftreten und in denen er auf ziemlich erfrischende Art auch seine schwule Identität und Religion behandelt – Schläfenlocken inklusive. Dass die gemalten Motive an einer Art Merchandise-Stand auch als T-Shirt-Drucke zu haben sind, kann man befremdlich finden – oder halt als weiteres Indiz dafür lesen, dass Salzburg jetzt auch ein bisschen Pop ist.

Bei Ruzicska geht es mit Florian Maier-Aichen in trügerisch verfremdete kalifornische Landschaften, während Leon Kahane in der von der Salzburger Sommerakademie organisierten Schau im Traklhaus sehr gegenwärtige Blicke auf geopolitische Kriegszusammenhänge und die NS-Vergangenheit wirft.

Sophia Vonier gelingt in ihrer Galerie in der Altstadt mit Bertram Hasenauer und Manuel Gorkiewiecs einmal mehr ein spannendes Doppel unter dem aus einem Pomassl-Track entliehenen Titel Tandem Distiller: Die Partygirlanden, die Gorkiewiecs aus PVC-Folie oder auch Zeitungsschnitten herstellt, bringen leise Irritationen ins historische Gewölbe und vertragen sich ausnehmend gut mit Hasenauers gemalten Porträt-Ausschnitten, die gerade ob ihrer betonten Sachlichkeit eine seltsame Intimität schaffen.

Musik und Kunst

Eines herausragenden Beispiels für die Kollaboration der Künste, namentlich von Musik und bildender Kunst, wird man diesen Sommer im Haus für Mozart ansichtig: Die dortige Schau erinnert mit großformatigen Werken von Emilio Vedova an dessen Arbeit am Bühnenbild für Luigi Nonos Intolleranza 1960. Das Werk wurde vor 60 Jahren im Teatro La Fenice in Venedig uraufgeführt und steht nun auf dem Spielplan der Salzburger Festspiele.

Und der neue Jedermann Lars Eidinger? Füttert derweil seinen Instagram-Account fleißig mit Salzburg-Bildern. Womöglich werden einige davon nächstes Jahr ja ausgedruckt und an die Wand gehängt. (Ivona Jelcic, 23.7.2021)