Zur Arbeit nur mit Stich? Die Idee des Arbeitgeberverbandes sorgt für heftige Diskussionen.

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Die Message ist eindeutig: "Das Vorweisen eines gültigen Green Pass müsste zu den Verpflichtungen der Arbeitnehmer gehören, im Rahmen der Sorgfalt, der Korrektheit und des guten Willens, auf dem jedes Arbeitsverhältnis basiert". Diese Nachricht stammt aus einer internen E-Mail der Direktorin von Confindustria, Francesca Mariotti, die sie an mehrere Firmenchefs versandt hat.

Sollte der Arbeitnehmer dieses Vorgehen zur Vorlage eines grünen Passes ablehnen, dann müsse die Möglichkeit bestehen, ihn anderweitig zu beschäftigen – oder, wenn das nicht möglich sei, ihn vorübergehend freizustellen. Und zwar "ohne Fortzahlung des Lohns", wie es in dem Schreiben weiter heißt.

Die E-Mail der Chefin der größten italienischen Arbeitgeberorganisation Confindustria wurde am Dienstag in Italien publik – und gibt seither viel Diskussionsstoff im Lande.

Hintergrund des Schreibens ist der neue, markante Anstieg der Corona-Fallzahlen im ganzen Land und damit die Sorge der Arbeitgeber vor neuen, von der Regierung verordneten Produktionsunterbrechungen und Kurzarbeit. Zahlreiche Unternehmen, so schreibt Mariotti in ihrer E-Mail, hätten der Confindustria-Zentrale gemeldet, dass eine "beträchtliche Zahl" ihrer Arbeitnehmer und Angestellten es ablehnten, sich impfen zu lassen. Und: "Damit gefährden sie nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen Mitarbeiter, mit denen sie am Arbeitsplatz direkt oder indirekt in Kontakt kommen."

Ausweitung der Impfpflicht

Mit ihrem Aufruf fordert die Confindustria-Direktorin für die Industrieunternehmen de facto das, was für das Personal der öffentlichen und privaten Krankenhäuser und anderer medizinischen Einrichtungen in Italien längst gilt: eine generelle Impfpflicht und damit eine nicht nur in Italien äußerst umstrittene Maßnahme.

Eine Impfpflicht erwägt die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi im Hinblick auf den Wiederbeginn des Schulunterrichts im September auch für das Lehrpersonal an den italienischen Schulen und Universitäten. Und die Regierung stößt damit ebenfalls auf zum Teil erbitterten politischen Widerstand.

Gewerkschaft ablehnend

Italiens Gewerkschaften haben bereits signalisiert, dass sie den Vorschlag der Confindustria in der vorliegenden Form nicht hinnehmen werden. "Bestimmte Probleme lassen sich nicht mit imperialen Befehlen von oben lösen, sondern nur im Dialog der Sozialpartner", betont etwa Roberto Benaglia von der Gewerkschaft CISL (Confederazione italiana sindacati lavoratori).

Er erinnert daran, dass die Arbeitgeber zu Beginn der Pandemie die Arbeiter förmlich zur Arbeit gezwungen hätten, "koste es, was es wolle". Und danach sei es in erster Linie das Personal gewesen, das sich für die Protokolle zur Arbeitssicherheit eingesetzt und dafür gesorgt habe, dass die Produktion nach dem Lockdown wieder aufgenommen werden konnte.

Skeptisch ist auch der frühere Arbeitsminister Tiziano Treu. "Es ist nicht dasselbe, ob ein Green Pass in einem Restaurant oder am Arbeitsplatz verlangt wird", betont Treu. In vielen Betrieben ließen sich die Distanzregeln problemlos einhalten, nicht zuletzt auch dank des Smart Working, das während der Pandemie stark ausgeweitet wurde.

Über einen Impfzwang könne man höchstens im Falle solcher Arbeitssituationen diskutieren, bei denen tatsächlich eine Ansteckungsgefahr bestehe. Ob es die Confindustria-Forderung bereits auf die Agenda der Regierung geschafft hat, das war zuletzt ungewiss. (Dominik Straub aus Rom, 23.7.2021)