Dass die Rechte von Transfrauen zunehmend Frauenrechte überlagern könnten, das ist eine alte Debatte, die allerdings bis heute sehr emotional geführt wird.

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Dass es mehr Unterstützung für Trans*- und intergeschlechtliche Personen braucht, darüber gab es bei der Bundesfrauenkonferenz und beim Bundesparteitag der SPÖ im Juni harmonische Einigkeit. Ein entsprechender Antrag zur Verbesserung der rechtlichen und medizinischen Rahmenbedingungen wurde jeweils einstimmig angenommen. Geht es allerdings mehr in die Details, ist es mit der Einigkeit vorbei. Das zeigten einige wütende und transfeindliche Reaktionen auf Twitter auf die Rede von Dominique Mras, die sie auf dem Bundesparteitag hielt. Mras ist Bezirksrätin im neunten Wiener Gemeindebezirk, Bundesvorstand der LGBTIQ-Organisation SoHo – und Transfrau.

Dabei konnte Mras gleich zu Beginn ihrer Rede die wichtigste Frauenpolitikerin der SPÖ zitieren, auf die sich wohl alle in der Partei einigen können: Johanna Dohnal. "Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft." Und das gehe nur mit einem "inklusiven Feminismus", so Mras.

Doch genau hinter dieser Formulierung steckt schon ein solches Detail, das für heftige Kontroversen und auch menschenfeindliche Aussagen sorgte. Denn "inklusiver Feminismus" bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass etwa Förder-, Antidiskriminierungs- und Schutzmaßnahmen für Frauen für alle Frauen, also auch für Transfrauen, offen sein müssen und Frauenpolitik auch die spezifischen Probleme und Diskriminierungen von Transfrauen im Blick haben sollte. Die Gegenposition dazu lautet, dass all das jenen vorbehalten sein müsste, die mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen und sich auch als Frauen identifizieren. Genau diese Position hat Mras in ihrer Rede klar anhand des inzwischen immer öfter verwendeten Begriffs "Terf" (siehe Glossar) als transfeindlich kritisiert.

Keine Spaltung zulassen

Ein junges Beispiel dieser alten Debatte, die es schon so lange gibt wie die zweite Frauenbewegung seit den 1960er-Jahren, war ein riesiger Tumult um eine Aussage der britischen Star-Autorin Joanne K. Rowling. Es wären wohl noch immer Frauen, die menstruieren, twitterte sie in Reaktion auf einen Tweet einer NGO, die mit Rücksicht auf Transpersonen und nichtbinären Menschen von "menstruierenden Menschen" schrieb. Transaktivistinnen- und -aktivisten und viele andere kritisierten sie dafür scharf. Der Vorwurf "transfeindliche Radikalfeministin" ist durch diesen vielbeachteten Shitstorm gegen Rowling nun auch im deutschsprachigen Raum verbreiterter. Einen Shitstorm, jedoch von der anderen Seite, entwickelte sich im Laufe der Wochen nach dem Bundesparteitag gegen Dominique Mras. Sie erhielt hunderte, teils extrem menschenfeindliche Reaktionen, wie sie Transpersonen oft erhalten: Welches Wesen sie überhaupt sei oder Mutmaßungen, was sie zwischen den Beinen habe.

Auch Parteifreundinnen waren darunter, wenn auch nur wenige. Auch sie stimmten in "Mythen über Transfrauen" ein, sagt Mras. Konkret wurde etwa die Vorstellung bemüht, Transfrauen würden in Frauenräumen Frauen vergewaltigen – auf Frauentoiletten, in Frauenhäusern oder Frauengefängnissen.

Irrationale Ängste und Mythen

"So werden irrationale Ängste gestreut, auch wird immer wieder suggeriert, dass sich Männer von heute auf morgen als Frau bezeichnen würden", so Mras. "Dahinter stehen aber lange Leidenswege von transidenten Personen und Outings, die sehr schwierig und langwierig sind."

In den moderateren Kommentaren wird außerdem zu Frauenhäusern angeführt, dass dort die Anwesenheit von Transfrauen Ängste auslösen könnten. Mras erinnert allerdings daran, dass in Frauenhäusern natürlich der Personenstand kontrolliert werde, der offiziell und via Dokument das gelebte Geschlecht anerkennt. "Wenn Transfrauen in ein Frauenhaus gehen suchen sie das, was andere Frauen auch suchen: Schutz vor Gewalt", sagt Mras. "Niemand verleugnet, dass transidente Personen mit einem Y-Chromosom geboren wurden, aber Geschlecht ist nun mal auch sozial konstruiert und nicht nur biologisch begründet." Das biologische Geschlecht sei auch oftmals nicht so eindeutig, wie wir es gerne hätten, was um Beispiel auch Intergeschlechtlichkeit eindeutig zeige, so Mras.

Geht es um Rechte für Transpersonen, werden oft irrationale Ängste geschürt, sagt Dominique Mras.
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Die offizielle Seite steht jedenfalls hinter einem "inklusiven Feminismus", wie ihn Mras forderte. "Wir lassen uns auf keinen Fall auseinanderdividieren und spalten. Volle Solidarität mit Dominique Mras!", so SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner auf Nachfrage des STANDARD. Die SPÖ-Frauen würden sich für die Rechte all jener einsetzen, die in unserer Gesellschaft diskriminiert werden.

Laut Mras würde man mit parteiinternen Kritikerinnen weiter das Gespräch suchen. Es müsse einen Diskussionsprozess geben, in dem Ängste ernst genommen werden. Aber es dürfte keine Paranoia geschürt werden, die mit der Realität nichts zu tun habe. (Beate Hausbichler, 23.7.2021)