Mirjam fühlt bis heute mit den Briefträgern und Packerlschleppern.

Foto: Manfred Rebhandl

Mirjam ist 30, es geht ihr gut. Sie studiert Jus und arbeitet nebenher. Oft bei Bäckereien, "was cool ist wegen der Arbeitszeiten: Wenn ich um zwölf anfange, kann ich am Vorabend weggehen!"

Einen Monat lang war sie auch Briefträgerin in Favoriten, einer Gegend mit vielen Gemeindebauten, die sie bis dahin überhaupt nicht kannte. "Eine sehr anstrengende Erfahrung, muss ich sagen, das ist wirklich ein harter Job. Du wirst ins kalte Wasser geworfen, weil du am ersten Tag schon deinen Tisch bekommst mit dem Haufen Post darauf, den du dann ordnen und den Adressen zuteilen musst, und dann sollst du auch gleich die ganzen Straßen kennen, von denen du eigentlich keine Ahnung hast, und dann ziehst du schon alleine los mit deinem Zwei-Taschen-Wagerl."

Die alte Ledertasche, wie sie Charles Bukowski noch in seinem Briefträgerklassiker Der Mann mit der Ledertasche beschreibt, gibt es nicht mehr, dafür aber die darin auch beschriebenen Hundeattacken: "Es sind so viele frei her umlaufende Hunde auf mich zugaloppiert!", erinnert sie sich, und auch an die vielen "sehr wütenden Menschen, die mich dann anschrien, ich hätte nicht bei ihnen angeläutet".

Zu Arbeitsbeginn um 6 Uhr früh wurde dann oft ihr Name aufgerufen, und die Chefs informierten sie über die zahlreichen Beschwerden, die wegen ihr eingegangen waren. Die Hitze des Sommers, sagt sie, "ist wurscht, weil man ja in der Früh geht. Aber der Winter muss die Hölle sein." Noch heute fühlt sie mit den Austrägern, wenn sie diese durch den Gatsch stapfen sieht, und insbesondere mit den Packerlschleppern. Bei Amazon hat sie daher noch nie etwas bestellt. (Manfred Rebhandl, 24.7.2021)