Was ist einer der Lieblingsmaßnahmen in der österreichischen Politik, wenn man gerne etwas mit "Infrastruktur" machen möchte, aber einem die innovativen Ideen ausgegangen sind? Richtig: Es werden Straßen gebaut. Gerne auch durch Naturschutzgebiete oder in Form von Tunneln durch nichtsahnende Berge. Anscheinend geht nichts über ein bisschen gepflegte Bodenversiegelung mit dem Geruch von Asphalt, Gummi und Tierkadavern (sorry, Bambi!). Ach ja, Vorsicht, dieser Text könnte Spuren von Sarkasmus und Ironie enthalten.

Vielleicht oder vielleicht auch nicht als Versuch, die Verkehrspolitik der 1960er-Jahre per Ablenkungsmanöver von der realen in die digitale Sphäre zu verlagern, hat das Indiestudio Dinosaur Polo Club nun Mini Motorways (Windows, macOS, Apple Arcade, Switch-Version folgt) veröffentlicht. Der Name dürfte so manchem Hobby-Verkehrsmanager bekannt vorkommen, denn es handelt sich um den Nachfolger von Mini Metro, das den Spieler in einer Mischung aus Puzzlegame und simplem Ressourcenmanagement zum Chef des U-Bahn-Wesens in verschiedenen Städten gemacht hat.

Dinosaur Polo Club

Eine Welt ohne Homeoffice

Mit dem jüngsten Titel wird aber die böse Ökodiktatur beendet und wieder der individuellen Freiheit auf vier Rädern gehuldigt. Wer von A nach B kommen will, hat in diesem Spiel einen Führerschein. Es liegt am Spieler, den Autotraum wahrzumachen, steigt er doch in die Rolle der Stadtverwaltung, die Bautrupps mit Dieselwalzen ausrücken lässt, um hinderliche Natur mit Fahrunterlagen zu ersetzen.

Hier poppen auf Karten, die verschiedene Städte der Welt repräsentieren, keine U-Bahn-Stationen auf, die verbunden werden wollen, sondern Häuschen und große Gebäude in verschiedenen Farben, bei denen es sich mutmaßlich um Büros handelt. Diese verlangen nämlich nach konstantem Zustrom von Menschen. Corona ist hier schon längst passé, das Konzept von Homeoffice wird als autofeindliche Blasphemie verdammt. Gibt es zu wenige Ankünfte von Pkws der gleichen Farbe in einer gewissen Zeit, heißt es "Game over".

Um den Versorgungskollaps so lang wie möglich hinauszuzögern, stehen dem Spieler verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung. Nämlich normale Straßenteile, Autobahnen, Brücken, Tunnels sowie – als verkehrsorganisatorische Maßnahmen – Ampeln und Kreisverkehre.

Foto: Screenshot

Auf dem Weg zur niederösterreichischen Singularität

So manchem gelernten Niederösterreicher dürfte gerade etwas warm ums Herz geworden sein. Doch halt! Man kann nicht einfach die Karte mit Asphalt-Rondeaus zupflastern wie der durchschnittliche Ortskaiser, denn Mini Motorways limitiert die verfügbaren Ressourcen. Wöchentlich gibt es neue Straßenteile, und man kann eine von zwei Bonusoptionen wählen, muss sich also überlegen, ob man wirklich aus Traditionsgründen den siebten Kreisverkehr hinstellen sollte oder nicht doch lieber einmal eine Brücke über den Fluss baut, der ein zu versorgendes Bürogebäude von seinen Angestellten trennt.

Man möge das nicht falsch verstehen. Kreisverkehre sind in diesem Spiel wirklich sehr, sehr effektiv. Gibt es eine dicht Ansammlung von Kreuzungen, an denen es sich trotz Ampeln staut, sorgt das runde Wunder wieder für flüssiges Fortkommen. Einzig mehrere Kreisverkehre zu knapp aneinander kann die von der Computerintelligenz gesteuerten Fahrer aus dem Konzept bringen – und dann geht gar nichts mehr. Sollten die Maschinen einmal nach der Macht greifen, wird sich das Schicksal der Menschheit wohl am Tullner Stadtrand entscheiden.

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Wachsende Blechlawine

Geschlagen werden Kreisverkehre in bestimmten Situationen eigentlich nur von Autobahnen, mit denen man eine zweispurige Verbindung beliebig über die Karte ziehen kann, um Stauzonen zu überbrücken, die die Auffüllung weit entfernter Büros gefährden. Von dieser Baufreiheit darf man bei der Asfinag nur träumen.

Die strategische Vergrößerung der Blechlawine wird mit der Zeit immer schwerer. Der bebaubare Bereich erweitert sich zwar kontinuierlich, doch neue Gebäude ploppen immer schneller auf. Die bespielbaren Städte werden zudem durch Flüsse und Berge immer zerklüfteter, sodass irgendwann auch der talentierteste Straßenplaner scheitert. Aufgelockert wird das Ganze mit wöchentlichen Herausforderungen, in denen man sich unter Spezialbedingungen mit Konkurrenz aus aller Welt messen kann.

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Inszeniert ist das Game, wie schon Mini Metro, mit eleganter Simplizität – diesmal sogar mit einem auf Wunsch einschaltbaren Nachtmodus. Dazu gesellen sich eine sehr intuitiv gehaltene Steuerung und beinahe hypnotisches Sounddesign, das dem Game trotz stetig steigender Herausforderung sehr entspannende Qualitäten verleiht.

Fazit

Mini Motorways ist kein Titel, mit dem man unbedingt fünf Stunden am Stück zubringt, sondern eher für gemütliche 30 bis 60 Minuten zwischendurch. Und diese Aufgabe als entspannender Pausenfüller bewältigt der Titel, wenn man von kleineren Aussetzern der Auto-KI absieht, wirklich hervorragend. Wer schon Mini Metro mochte, kann die paar Euro für dieses Spiel bedenkenlos investieren. Und dann viele, viele Kreisverkehre bauen. (Georg Pichler, 24.7.21)