Dem Ankauf des Hollegha-Bildes folgte jüngst eine Ausstellung zur Gruppe St. Stephan: die Kuratorin Sonja Menches und ihr Chef Alexander Giese vor der farbgewaltigen Komposition aus dem Jahr 1974.

Foto: Giese & Schweiger

Rückblick in den November: Kaum war der "Lockdown light" in Kraft getreten, folgten der "harte" und damit verbundene Beschränkungen des Handels. Kunstmessen waren abgesagt und der Geschäftsalltag der Branche wieder auf Click and Collect reduziert, sporadisch kamen individuelle Termine mit Stammkunden dazu. Allzu viel gab es nicht zu tun, erinnert sich Alexander Giese, Kunsthändler in zweiter Generation.

Im Vorfeld anberaumter Auktionen besichtigte er etwa die Schaustellung im Dorotheum. Ein obligater Teil seines Jobs, nicht nur um etwaige Ankäufe zu sondieren, sondern um sich auch im Hinblick auf Nachfragen von Kunden oder Kollegen zu informieren. Anders als sonst hatte das Auktionshaus den Zutritt exklusiv auf Vertreter des Handels beschränkt.

Ein Werk, das Giese zuvor im Katalog erspäht hatte und unbedingt im Original sehen wollte, glänzte jedoch durch Abwesenheit: eine farbgewaltige Komposition von Wolfgang Hollegha aus dem Jahr 1974. In den frühen 1980er-Jahren war sie im Besitz eines österreichischen Bankinstitutes und später in der Sammlung der Unicredit Bank Austria gelandet, die sich nun davon trennte.

Monströses Museumsformat

Der Transport und die Präsentation des Großformates in den Räumlichkeiten des Palais Dorotheum wären zu kompliziert gewesen, erfuhr er und vereinbarte eine alternative Besichtigung im Lager von Kunsttrans. Die Dimension vor Ort haute ihn dann schlichtweg um: Elke Königseder, die zuständige Dorotheum-Expertin, stand dort gerade auf einer Leiter und inspizierte das Werk für einen Zustandsbericht. Sie, nicht gerade von kleiner Statur, sei förmlich in dem Bild verschwunden.

Ein Gigant, den er einfach haben musste. Ein bisserl Wahnsinn gehört zum Kunsthändlerdasein dazu, gesteht er ein. Denn mit 3,6 mal 4,2 Metern passt das Werk durch keine genormte Tür. Und wer hat schon eine derart große freie Wandfläche zur Verfügung? Die Chance für einen Wiederverkauf ist gering. Insofern sei der Ankauf, ganz nüchtern kalkuliert, ein vollkommener Schwachsinn gewesen, gibt Giese lachend zu. Die Konkurrenz hielt sich in Grenzen: Mit 85.000 Euro erfolgte der Zuschlag etwas über der oberen Taxe, plus Aufgeld des Auktionshauses belief sich der Kaufpreis auf 108.112 Euro.

Sieben Monate später fungierte das Museumsformat als Herzstück einer von Giese-Mitarbeiterin Sonja Menches kuratierten Ausstellung zur Gruppe St. Stephan mit insgesamt 27 Werken von Josef Mikl, Arnulf Rainer, Markus Prachensky und anderen von Wolfgang Hollegha. Das eine oder andere wurde verkauft, der "Hollegha" jedoch nicht.

Formel für den Listenpreis

Wie viel man ihm denn nun für das Tafelbild zahlen müsse? 295.000 Euro, wie die mit Familie Hollegha akkordierte Kalkulation ergab: ausgehend vom Listenpreis, errechnet aus Höhe plus Breite mal 300, zuzüglich eines Aufschlags für die historische Bedeutung.

50.000 auf oder ab, das sei hier nicht der Punkt. Er suche für so ein Werk nach einem leidenschaftlichen Mitstreiter, nicht nach Investoren. Bei Gleichgesinnten sei er tatsächlich für vieles zu haben, selbst eine Leihgabe will er nicht ausschließen.

Alexander Giese, Jahrgang 1976, stieg Ende der 1990er-Jahre in die von seinem Vater Herbert Giese und Kompagnon Harald Schweiger 1980 gegründete Kunsthandlung ein: Die ersten beiden Wochen verbrachte er im Keller, es galt, das Bilderlager zu sortieren und zu inventarisieren.

Mister Podcast

Der mittlerweile um Zeitgenössisches ergänzte Fokus des Angebotes lag damals bei Meisterwerken des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Ein Themengebiet, das ihn auch bei seinem Studium der Kunstgeschichte begleitete: 2008 Diplomarbeit zu Peter Fendi, 2018 dann Dissertation über Olga Wisinger-Florian (2018), der im Laufe des kommenden Jahres ein im Eigenverlag (Pinxit) publiziertes Werkverzeichnis folgen soll.

Dazu brauche es allerdings noch zwei oder drei große Motivationsschübe, wie er bekennt. Und vermutlich Zeit, die er seit Mitte März nebenbei auch in seine Podcastreihe Ausgesprochen Kunst investiert, über die er Einblick in die Wiener Kunstszene gibt.

Mit seinem Vater Herbert Giese, seit 1990 aus der Sendung Kunst & Krempel bekannt, spricht er über aktuelle Ausstellungen oder lädt Gäste, wie jüngst Ganymed-Regisseurin Jacqueline Kornmüller, zum Gespräch. Wie er auf die Idee mit dem Podcast überhaupt kam? – Die Inspiration ereilte ihn während des Lockdowns über den Podcast des Berliner Galeristen Johann König (Was mit Kunst). Vergleichend nur so viel: Der Wiener Plauderton überzeugt mit seiner charmanten Note. (Olga Kronsteiner, 25.7.2021)