Digitalministerin Margarete Schramböck (ÖVP) beim Interview in der Spezialsendung auf ORF 3.

Foto: Screenshot/Youtube/Digital Austria

Wien – Es dauerte nur gut eine Minute, dann war sie schon im Bild: Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) wurde von ORF-Moderatorin Nina Kraft die Frage gestellt, warum Digitalisierung gerade jetzt so wichtig sei. Schramböck skizzierte daraufhin den Digitalisierungsplan der im Wirtschaftsministerium angesiedelten Initiative "Digital Austria". Er sollte als "Jobmotor" fungieren. Ein Heimspiel also im Vormittagsprogramm von ORF 3. Einen Hinweis darauf gab Moderatorin Kraft am Beginn der Sendung. Sie sprach von einer "Sonderproduktion von ORF 3 in Kooperation mit dem Digitalisierungsministerium". Am Ende des Spezialformats hieß es dann: "Eine Produktion des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort".

Vergangenes Jahr strahlte ORF 3 insgesamt drei Spezialsendungen zu "Digital Austria" aus, zu sehen waren sie im Juni, Oktober und November 2020 – DER STANDARD berichtete. Der Kostenpunkt? Exakt 321.117 Euro. Das geht jetzt aus der parlamentarischen Anfrage hervor, die Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter an Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort der Republik Österreich, gerichtet hat.

ÖVP-nahe Agentur erhielt Auftrag

Die Umsetzung der rund einstündigen Sendungen, in denen etwa Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer, Wirtschafts- und Digitalisierungsexperten oder auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz interviewt wurden, lag in der Hand der Agentur GPK Live. Wie die Plattform zackzack.at berichtet hat, ist GPK Live bestens vernetzt mit der ÖVP. Die Agentur war beispielsweise bereits 2014 für den EU-Wahlkampf von Othmar Karas zuständig, sie erhielt immer wieder Aufträge von Ministerien. Für den aktuellen Auftrag verrechnete GPK Live dem Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort der Republik Österreich über 140.000 Euro.

Neos: "Substanzlose ÖVP-Dauerwerbesendung"

"Erst das Kaufhaus Österreich, dann die Digitalisierungsagentur und jetzt das – niemand wirft besser mit beiden Händen Steuergeld zum Fenster hinaus als Ministerin Schramböck", sagt Neos-Mediensprecherin Brandstötter, die die Anfrage gestellt hat. "Eine Wirtschaftsministerin sollte dafür sorgen, dass es der gesamten österreichischen Wirtschaft gut geht, nicht nur ÖVP-nahen Agenturen. Mehr als 320.000 Euro Steuergeld für eine substanzlose ÖVP-Dauerwerbesendung auszugeben, und das mitten in der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, ist an Unanständigkeit kaum mehr zu überbieten", meint Brandstötter.

5.400 Euro für ORF-Moderatorin Nina Kraft

Die Neos-Politikerin kritisiert aber auch den ORF: "Wenn es eine rein redaktionelle Entscheidung war, diese Off-house-Produktionen der ÖVP-Ministerin unentgeltlich zu senden – an wen dürfen wir uns zwecks Ausstrahlung wenden, wenn wir das nächste Neos-Video mit Informationen für Klein- und Mittelbetriebe und Ein-Personen-Unternehmen drehen?" Laut der parlamentarischen Anfrage erhielt ORF-Moderatorin Nina Kraft, die beim ORF als freie Journalistin diverse Formate wie "Guten Morgen Österreich", "Daheim in Österreich" oder "Licht ins Dunkel" moderiert, jeweils 5.400 Euro für ihre drei Moderationen. Für die Miete im ORF-Funkhaus fielen 19.000 Euro an.

ORF: Redaktionelle Entscheidung

Der ORF wies den Vorwurf bereits zurück, dass es sich bei dem Format um Werbesendungen gehandelt habe, und verweist auf STANDARD-Anfrage auf seine Stellungnahme aus dem Mai 2021. Die habe nach wie vor Gültigkeit. Die Ausstrahlung sei eine "redaktionelle Entscheidung" gewesen. Der ORF habe während der Corona-Pandemie verschiedene Programminitiativen gesetzt: "Eine davon ist es, Symposien und Kongressen zu relevanten Themen aus den verschiedensten Bereichen wie zum Beispiel Digitalisierung, Wirtschaft, Nachhaltigkeit et cetera, die aufgrund der Corona-Sicherheitsmaßnahmen nicht wie geplant stattfinden können, eine mediale Plattform zu geben." Die Bandbreite reiche dabei von der "C-TV-Konferenz" der Fachhochschule St. Pölten über den "Austrian World Summit 2020: Klimagipfel in Wien" bis zur Digitalkonferenz "Darwin's Circle", so der ORF.

Ministerium: ORF war involviert

Laut Beantwortung der parlamentarischen Anfrage wurden laut Schramböck mögliche Inhalte und Sendungsformate in "mehreren Besprechungen zwischen den fachlich zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Kabinetts, der Digitalisierungsagentur und des ORF" diskutiert. Mit dem ORF wurde dann ein "Generalthema" beschlossen, "anschließend erfolgte die Detailausarbeitung der Inhalte durch mein Ressort und die Digitalisierungsagentur", schreibt Schramböck. Für die Ausstrahlung erhielt der ORF jedenfalls kein Geld. Dass auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz seinen Auftritt bekam, sei "naheliegend" gewesen, heißt es, "da sich der ORF selbst in einer Phase der digitalen Transformation befindet".

Warum ORF 3?

Warum die Wahl für die Ausstrahlung auf den ORF fiel? "ORF 3 wurde als für derartige Informationsformate bekannter und beliebter Kanal und wegen der Abrufbarkeit der Sendung in der TVthek des ORF als beste Option zur Vermittlung der spezifischen Informationen ausgewählt." Wie viele Zuseher mit dem Format erreicht wurden, ist unklar. Eine entsprechende STANDARD-Anfrage beim Wirtschaftsministerium nach der Resonanz und der Verhältnismäßigkeit der Kosten ist noch unbeantwortet. Auf dem Youtube-Kanal von Digital Austria sind die drei Sendungen jedenfalls nicht der Renner. Sie kommen derzeit auf 59, 214 und 98 Aufrufe (chronologisch). (omark, 23.7.2021)