Gab es einst Leben auf dem Mars? Auf dem steinigen Weg zu Antworten spielen geologische und geochemische Untersuchungen eine herausragende Rolle. Sie verraten den Wissenschaftern viel darüber, wie es auf dem Mars während seiner lebensfreundlicheren Phase ausgesehen hat.

Der Nasa-Rover Perseverance etwa bereitet sich derzeit darauf vor, die erste Gesteinsprobe für einen späteren Heimtransport zu sammeln. Konkrete Biospuren stehen dabei nicht im Mittelpunkt: Die Bohrung findet an einer geologisch sehr alten Stelle des Jezero-Kraters statt, die zwar für die Konservierung potenzieller Lebensspuren nicht ideal ist, dafür aber das Verständnis der Geologie dieser Region bedeutend bereichert.

Der Seismometer (SEIS) der Nasa-Mission Insight.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Tiefe Einsichten

Eine andere Mission der Nasa hat nun – in einem deutlich größeren Maßstab – einige Vorstellungen von der Geologie und Geophysik des Mars über den Haufen geworfen: Auswertung von Daten des Landers Insight gewähren erstmals detaillierte Einsichten ins Innere des Roten Planeten – mit einigen überraschenden neuen Erkenntnissen.

Seit seiner Landung im November 2018 war die Insight-Mission keine ausschließliche Erfolgsgeschichte: Eines seiner Hauptexperimente, das Heat-Flow-and-Physical-Properties-Package-Instrument (HP3) – besser bekannt als "Marsmaulwurf" – musste im vergangenen Jänner endgültig abgebrochen werden. Eigentlich hätte sich das Gerät bis in mindestens drei Meter Tiefe durch den Boden vorarbeiten sollen, um die Wärmeflüsse im Marsboden zu messen. Doch der Maulwurf blieb schließlich nach monatelangem Vor und Zurück in 43 Zentimetern Tiefe unwiderruflich stecken.

Dieses am 25. Juli 2019 von Insight aufgezeichnete Seismogramm gibt ein Marsbeben wieder.
Grafik: NASA/JPL-Caltech

Marsbeben durchleuchten den Planeten

Das zweite wichtige Instrument dagegen erwies sich nun als voller Erfolg: Der Seismometer von Insight, dessen Datenerfassungs- und Steuerungselektronik von der ETH Zürich stammt, ist eine weiße Kuppel auf drei Beinen mit einem goldenen Staubschutz an seiner Basis und nennt sich eigentlich Seismic Experiment for Interior Structure (SEIS).

Seine Hauptaufgabe ist, Marsbeben einzufangen sowie anderen internen Aktivitäten des Mars zu lauschen, um mehr über die Dinge zu erfahren, die sich unter der Marsoberfläche abspielen. Diese Daten erlauben auch Rückschlüsse auf den Aufbau des Mars.

Das Seismic Experiment for Interior Structure (SEIS) lauscht nach Marsbeben.
Illustr.: Nasa

Nun liegen die Auswertungen der ersten zwei Jahre vor, und diese weisen zunächst auf gewisse Ähnlichkeiten zwischen Erde und Mars hin – aber auch große Unterschiede. Unser eigener Planet setzt sich aus mehreren Schichten zusammen: Auf eine dünne Kruste aus leichtem, festem Gestein folgen der dicke Erdmantel aus schwerem, zähflüssigem Gestein und ganz innen der Erdkern, der größtenteils aus Eisen und Nickel besteht. Bei den terrestrischen Planeten und damit auch beim Mars wurde ein ähnlicher Aufbau vermutet.

Drei große Schichten

Tatsächlich berichten die Wissenschafter um Brigitte Knapmeyer-Endrun von der Universität Köln und Mark Panning vom Jet Propulsion Laboratory der Caltech (USA) in drei "Science"-Fachartikeln von einigen Parallelen zwischen den beiden Planeten. "Nun bestätigen seismische Daten, dass der Mars einst wohl vollständig geschmolzen war und sich heute in eine Kruste, einen Mantel und einen Kern unterteilt hat, die sich aber von jenen der Erde unterscheiden", sagt Amir Khan, Wissenschafter am Institut für Geophysik der ETH Zürich.

Die Daten zur Kruste zeigen, dass an der Insight-Landestelle in der Nähe des Marsäquators die oberste Schicht etwa 8 (+/-2) Kilometer dick ist. Darunter folgt eine weitere Schicht bis in etwa 20 (+/-5) Kilometer Tiefe. "Dann könnte bereits der Mantel folgen. Dies wäre eine überraschend dünne Kruste, auch im Vergleich zur kontinentalen Kruste auf der Erde. Unter Köln ist die Erdkruste etwa 30 Kilometer dick", sagt Knapmeyer-Endrun.

Im Inneren unterscheidet sich der Mars in einigen Punkten von der Erde.
Illustr.: IPGP / David Ducros

Unklare Signale

Eventuell gibt es auf dem Mars aber noch eine dritte Krustenschicht, sodass die Marskruste unter der Landestelle etwa 39 (+/-8) Kilometer dick wäre. Das würde eher zu bisherigen Annahmen passen, allerdings ist das Signal von dieser Schicht mit bisherigen Daten nicht eindeutig einzuordnen.

"In beiden Fällen können wir jedoch ausschließen, dass die ganze Kruste aus dem gleichen Material besteht, das man aus Oberflächenmessungen und von Marsmeteoriten kennt", so die Geophysikerin. "Die Daten sprechen eher dafür, dass die oberste Schicht aus einem unerwartet porösen Gestein besteht. Auch könnten in größeren Tiefen andere Gesteine vorliegen als die Basalte, die man an der Oberfläche sieht."

"One-Plate-Planet"

Unter der Kruste folgt der Mantel mit der Lithosphäre aus festerem Gestein, die bis in eine Tiefe von 400 bis 600 Kilometern reicht, doppelt so tief wie bei der Erde. Dies könnte daran liegen, dass es auf dem Mars heute nur eine einzige Kontinentalplatte gibt, im Gegensatz zur Erde mit ihren sieben großen, in Bewegung befindlichen Platten. "Die dicke Lithosphäre passt gut zum Modell vom Mars als 'One-Plate-Planet'", meint Amir Khan.

Die Messungen zeigen zudem, dass der Marsmantel mineralogisch dem oberen Erdmantel gleicht. "So gesehen ist der Marsmantel eine simplere Version des Erdmantels", so Khan. Die Seismologie enthüllt aber auch Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung. Der Marsmantel enthält zum Beispiel viel mehr Eisen als jener der Erde. Wie kompliziert man sich die Schichtung des Marsmantels vorstellen muss, hängt aber auch von der Größe des darunterliegenden Kerns ab, und auch hier gelangten die Forscher zu neuen Erkenntnissen.

Größer als gedacht

Der Kernradius beträgt nämlich rund 1.840 Kilometer und ist damit gut 200 Kilometer größer, als man vor 15 Jahren bei der Planung der Insight-Mission aufgrund der geringen Dichte des Planeten vermutet hat. Der Durchmesser des Kerns konnte nun mithilfe seismischer Wellen neu kalkuliert werden. "Aus dem jetzt bestimmten Radius können wir die Dichte des Kerns berechnen", erklärt Simon Stähler von der ETH Zürich.

Ist der Kernradius groß, muss die Dichte des Kerns relativ niedrig sein, so das Fazit der Wissenschafter. "Der Kern muss also – neben Eisen und Nickel – auch einen großen Anteil leichterer Elemente enthalten." Infrage kommen Schwefel, aber auch Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff. Die Forscher schließen daraus, dass die Zusammensetzung des gesamten Planeten noch nicht völlig verstanden ist. Die aktuellen Untersuchungen bestätigen jedoch, dass der Kern – wie vermutet – flüssig ist, auch wenn der Mars heute über kein Magnetfeld mehr verfügt.

Auf diesem Selfie, das am 11. Dezember 2018, also wenige Tage nach seiner Landung, entstand, ist der Lander Insight noch weitgehend staubfrei.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Insight am Ende?

Bleibt zu hoffen, dass die Insight-Daten weiter fließen werden, wonach es allerdings aktuell nicht aussieht: Auf den Solarpaneelen der Forschungssonde hat sich inzwischen durch elektrostatische Anziehung und Wind eine veritable Staubschicht gebildet. Bereits 80 Prozent der Fläche sind schon bedeckt, die Energieversorgung ist dramatisch eingebrochen. Sollte sich keine Lösung für das Problem finden lassen, könnte das im kommenden April das Ende für den Insight-Lander bedeuten. (tberg, red, 23.7.2021)