Bild nicht mehr verfügbar.
Inzko ist noch bis August Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina.
Am Freitag hat der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, mithilfe seiner Bonner Befugnisse Änderungen am bosnischen Strafgesetzbuch vorgenommen. Diese Änderungen stellen die Verherrlichung verurteilter Kriegsverbrecher, die Leugnung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe. Inzko begründete den Schritt damit, dass in Bosnien-Herzegowina alle Gesetzesinitiativen in diese Richtung wegen des Vetos der Nationalisten blockiert wurden.
"Das Fehlen von Anerkennung, Rechenschaftspflicht und Rechtsschutz für Opfer von Massenverbrechen und systematischem Missbrauch hat katastrophale Folgen für die Gesellschaft", so Inzko. "Hassreden, die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und Revisionismus, also das offene Leugnen von Völkermord und Kriegsverbrechen, verhindern eine gemeinsame Sicht auf die Vergangenheit der Gesellschaft, stellen eine wiederholte Demütigung der Opfer und ihrer Angehörigen dar, verlängern die Ungerechtigkeit und gefährden die interethnischen Beziehungen", argumentiert er.
Chronisch kranke Gesellschaft
All dies führe zu Frustration, mache die Gesellschaft chronisch krank und verhindere den Aufbau einer friedlichen und wohlhabenden Zukunft. "Die Bürger von Bosnien und Herzegowina warten seit vielen Jahren darauf, dass ihre gewählten Vertreter dieses sehr ernste Thema rechtlich regeln. Jeder Versuch, dies zu tun, wurde jedoch blockiert. Während dieser Zeit hat sich die Situation verschlechtert, und jetzt gerät sie außer Kontrolle", so Inzko. Er verwies darauf, dass einige politische Führer offen verurteilte Kriegsverbrecher verherrlichen, Verschwörungstheorien verbreiten und bestreiten, dass der Völkermord in Srebrenica überhaupt stattgefunden hat.
In jüngster Zeit tauchten in Bosnien-Herzegowina vermehrt Wandgemälde zu "Ehren" des Schwerverbrechers Ratko Mladić auf, der für den Beschuss von Sarajevo und zahlreiche Massenverbrechen, etwa den Völkermord rund um Srebrenica, zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist.
Bis zu fünf Jahre Haft für Leugnung
Die Änderungen des Gesetzes sehen Folgendes vor: Wer öffentlich zu Gewalt oder Hass gegen eine Personengruppe oder ein Mitglied der Gruppe aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder ethnischen Herkunft aufruft, kann mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und drei Jahren bestraft werden. Wer das Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen, das durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde, öffentlich leugnet, grob verharmlost oder zu rechtfertigen versucht, wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestraft.
Auch die Verbreitung von solcher Propaganda ist nun verboten. Wer einer Person, die wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen rechtskräftig verurteilt wurde, eine Anerkennung, Auszeichnung, ein Denkmal, ein Andenken oder ein Privileg oder Ähnliches verleiht oder Straßen, Plätze, Parks, Brücken oder Institutionen nach ihr benennt, wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bestraft. Die Änderungen treten in acht Tagen in Kraft. Offen ist, ob die rechtlichen Vorkehrungen umgesetzt werden, denn die Justiz ist in Bosnien-Herzegowina nicht unabhängig, sondern von parteilichen Interessen unterlaufen.
Individuelle Verantwortung
Inzko betonte, dass seine Eingriffe in das Strafrecht nichts mit Kollektivschuld, sondern mit individueller Verantwortung zu tun haben. "Das Erkennen der Schuld des Einzelnen ermöglicht es den Menschen, sich von den Lasten der Vergangenheit zu befreien und in eine bessere Zukunft zu gehen", so Inzko. "Es ist wichtig zu verstehen, dass es ohne Wahrheit keine Gerechtigkeit und ohne Gerechtigkeit keine notwendige Versöhnung gibt." Sein Gewissen diktiere ihm, dass er kein Recht habe, sein Mandat zu beenden, solange rechtskräftig verurteilte Kriegsverbrecher verherrlicht würden, meinte Inzko, dem Anfang August der deutsche Christian Schmidt als Hoher Repräsentant nachfolgen wird.
Inzko erinnerte auch an die vor drei Jahren verstorbene Hatidža Mehmedović, die beim Völkermord von Srebrenica alle nahen Familienmitglieder verloren hat, beide Söhne, den Ehemann und 34 weitere Familienmitglieder – und trotzdem bereit war, die Hand der Vergebung auszustrecken. Er verwies auch darauf, dass das Parlament des bosnischen Landesteils Republika Srpska verweigerte, die Auszeichnungen für verurteilte Kriegsverbrecher wie Radovan Karadžić aufzuheben.
Dodik leugnet Völkermord
Der Chef der größten bosnisch-serbischen Partei SNSD, der Nationalist Milorad Dodik, reagierte auf die Änderungen des Strafgesetzes mit Ablehnung. Inzko habe kein Recht dazu, die Maßnahmen zu treffen, so Dodik. "Der Völkermord hat nicht stattgefunden, die Serben dürfen das niemals akzeptieren", verstieß Dodik auch sofort gegen das Gesetz und forderte, wie praktisch jede Woche, die Sezession der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina. "Wir sind gezwungen, den Auflösungsprozess einzuleiten", sagte er. (Adelheid Wölfl, 23.7.2021)