Beim Thema persönlicher Verzicht für den Klimaschutz spalten sich die Meinungen.
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PRO: Ohne Verzicht geht’s nicht

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Unser üppiger Lebensstil hat Schattenseiten, die nicht mehr wegzuleugnen sind. Wir konsumieren zu viel, oft ist es Fleisch. Unsere liebgewonnenen Urlaubsgewohnheiten führen uns dank billiger Flüge zu Städtetrips übers Wochenende. Oft gehören dazu mehrere Fernreisen im Jahr. Zu unserem Alltag gehört außerdem viel Blech und Beton: zu große Autos, die wir mit viel Energie fortbewegen, um dann mit dem fahrbaren Untersatz im städtischen Bereich viel Platz zu verstellen; zu große Häuser, die wir beheizen.

Warum das so ist? Weil viele von uns es sich leisten können, weil wir vieles lange nicht besser wussten oder unangenehme Erkenntnisse verdrängt haben. Jetzt wissen wir es aber: Viele unserer Lebensgewohnheiten gehen auf Kosten des Klimas und der Natur.

Keine Frage, in den meisten Belangen wird mehr oder weniger emsig an Verbesserungen getüftelt. Manche davon sind technischer Natur: neue Treibstoffe, umweltfreundlichere Antriebssysteme, bessere Angebote im öffentlichen Verkehr, effizientere Produktion in der Landwirtschaft, Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, Umbau der Fördersysteme. All das wird es auch brauchen – neben einer mutigen Politik mit entsprechenden Anreizen. Dennoch müssen wir unsere Konsumgewohnheiten umstellen. Nennen wir es Verzicht. In den Urlaub zu fliegen ist nirgendwo in der menschlichen DNA vergraben. (Regina Bruckner, 23.7.2021)

KONTRA: Es braucht Gesetze

Die ewige Verzichtsdebatte ist in der Bundespolitik angekommen. Klimaschutz soll auch ohne Verzicht funktionieren, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz. Damit hat er insofern recht, weil uns persönlicher Verzicht in der Klimakrise tatsächlich nicht weiterbringt. Wer auf Fleisch, Fliegen und Autofahren verzichtet, reduziert zwar seine Emissionen – allerdings gibt es nur wenige Menschen, die sich dauerhaft und in relevantem Maßstab für das Klima einschränken. Jenen, die es tun wollen, wird es schwergemacht.

Es muss die Aufgabe der Politik sein, den Rahmen für ein klimafreundliches Leben zu schaffen. Dieses Leben wird anders sein als das heutige – und es wird auch Einschränkungen geben müssen. Das Bild von der "Steinzeit", das Kurz vermittelt, ist aber ein vollkommen falsches. Ist es steinzeitlich, sich nicht mehr mit Verbrennungsmotoren fortzubewegen? Heizt eine Wärmepumpe schlechter als eine Ölheizung? Ist eine günstige, schnelle und einfach buchbare Zugverbindung in den Urlaub weniger erholsam als eine Flugreise? Verzichten wir auf Genuss, wenn wir im Lokal aus einer breiten Auswahl an vegetarischen Gerichten auswählen? Wohl kaum.

Einmal mehr zeigt sich, dass es Kurz nicht um das Klima geht, sondern darum, das Klischee von freudlosen Steinzeit-Ökos zu befeuern. Und das bringt uns noch weit weniger als die Diskussion um persönlichen Verzicht. (Philip Pramer, 23.7.2021)