Eine FMA-Mitarbeiterin wurde entlassen. Sie soll gegen Vertraulichkeitspflichten verstoßen haben und zu wenig Distanz zur Bankchefin gehabt haben. Sie bestreitet das.

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Die Nebel lichten sich ein wenig in der Causa Commerzialbank Mattersburg (CBM). Zumindest, was die Ereignisse der Tage vor dem Auffliegen des Bilanzskandals betrifft, in denen die Vor-Ort-Prüfer der Notenbank (OeNB) in Mattersburg waren und CBM-Chef Martin Pucher Malversationen eingestand und zurücktrat. Kurz zur Erinnerung: In der Vor-Ort-Prüfung 2015 waren 65 Mängel festgestellt worden, davon waren 21 noch immer nicht behoben, als die Aufseher 2017 zur Follow-up-Prüfung kamen.

Am 9. November 2018 zwischen zehn und 12.30 Uhr fand ein sogenanntes Managementgespräch statt, in dem vier Aufseher (darunter eine Mitarbeiterin der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA) mit Pucher und seiner Vorstandskollegin K. über die aktuelle Lage sprachen.

Kernbotschaften an den Vorstand

Die Aufseher gaben ihnen "Kernbotschaften" mit auf den Weg – unter anderem, dass es unerlässlich sei, die immer noch vorhandenen Mängel "zeitnah" zu bereinigen. All das wurde wie üblich in einem Protokoll festgehalten, das die OeNB den jeweils geprüften Banken nicht aushändigt. Dieses Protokoll sollte 2020 zu einer Entlassung in der FMA führen – doch dazu später.

Für 2020 war eine reguläre Prüfung geplant, die wurde auf März vorgezogen, weil sich ein Whistleblower mit detailreichen Hinweisen auf Malversationen gemeldet hatte. Bis 13. März waren die Prüfer in der Bank, Mitte Juni kamen sie nach der Corona-Pause wieder.

Kredit um 20 Prozent

Am 13. und 14. Juli fand in Mattersburg der große Showdown statt, wie sich aus der Zeugenaussage eines Aufsehers erschließt. Davor war man den Tipps des Whistleblowers nachgegangen, hatte die Großkreditnehmer unter die Lupe genommen, die gleichzeitig Sponsoren des SV Mattersburg waren. Am 14. Juli packte Pucher aus.

Wie das kam? Die Aufseher fanden "utopische" Zinszahlungen eines Energieunternehmens: 20 Prozent Kreditzinsen, "was völlig unrealistisch war", wie der Zeuge sagte. Das sei "der Knackpunkt" gewesen. Am 13. Juli damit konfrontiert, hätten Pucher und K. immer wieder Ausreden gefunden, ihre "Nachdenkpausen zwischen den Argumentationslinien" seien aber immer länger geworden. Ob der Kunde von diesen Zinsen wisse, ob die Zahlungen wirklich von ihm stammen? Die Antwort, die die Prüfer bekamen: "Wenn der Kunde zahlt, wird er es schon wissen."

Verdächtige Bank-Transaktion

Als die Prüfer nachfragten, warum es manuell geroutete Zahlungsströme über das Bank-Austria-Konto der CBM gebe, sei der "letzte Auslöser" gedrückt gewesen. Am nächsten Tag räumte Pucher in Begleitung seiner Tochter und hoch emotionalisiert ein, dass die Bilanzsumme zu einem Drittel oder bis zur Hälfte von "Malversationen" betroffen sei. Sprach’s und wollte dem Aufseher die Schlüssel zur Bank übergeben, was dieser freilich ablehnte. Die Folge: Pucher und K. traten zurück, informierten (auf Anregung der Prüfer aus der OeNB) pflichtgemäß die FMA, die die Bank noch in derselben Nacht zudrehte. Das Institut ging pleite, von 900 Millionen Euro Bilanzsumme waren rund 700 Mio. erfunden.

Das Einvernehmen zwischen einzelnen Aufsichtspersonen und Bankern dürfte so schlecht nicht gewesen sein, jedenfalls partiell. Ende November 2018 jedenfalls, nach dem oben erwähnten Managementgespräch, ersuchte K. eine FMA-Aufseherin, ihr das Gesprächsprotokoll zu schicken. Sie habe sich nicht alle von der Aufsicht aufgetragenen To-dos aufgeschrieben, begründete sie das gegenüber ihrer Duz-Bekannten.

"Mit lieben Grüßen"

Die übersandte ihr noch am selben Tag das vertrauliche Protokoll von ihrem privaten E-Mail-Account, "mit lieben Grüßen" und Smiley. K. bedankte sich flugs, schickte ihrerseits ein Smiley – auch sie verwendete einen privaten Account.

21 Monate später, als der Skandal bekannt wurde, informierte die FMA-Mitarbeiterin ihren Chef von diesem Vorfall und die FMA leitete eine Sonderprüfung durch die interne Revision ein. Das Ende vom Lied: Die FMA hat die Expertin entlassen, unter anderem weil sie Verschwiegenheitspflichten gebrochen habe. Zudem habe ihr die "notwendige berufliche Distanz" zu K. gefehlt.

Mitarbeiterin bekämpft Entlassung

Dass in dem Protokoll Dinge standen, die K. ja aus dem Managementgespräch bekannt waren, wie die Ex-Mitarbeiterin argumentiert, lässt die FMA nicht gelten. K. sei es möglicherweise darum gegangen, sicherzugehen, "dass die Aufsichtsbehörde nichts von den (später aufgetauchten) enormen Malversationen weiß". Die Ex-FMA-Mitarbeiterin hat gegen ihre Entlassung geklagt, das Verfahren läuft.

Aussagen in den Ermittlungen zur Causa Commerzialbank Mattersburg geben Einblick, wie es bei den Vor-Ort-Prüfungen zugegangen ist – und was der Anlass zu den Geständnissen der Bankchefs war. (Renate Graber, 24.7.2021)