Rückschlag für Vonovia.

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Wien – Die größte Übernahme in der Geschichte der deutschen Wohnimmobilien-Branche steht vor dem Aus. Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia ist mit seinem mehr als 18 Milliarden Euro schweren Offert zum Kauf des Rivalen Deutsche Wohnen "voraussichtlich" gescheitert. Es zeichne sich ab, dass Vonovia die Marke von 50 Prozent der Deutsche-Wohnen-Anteile verfehlen werde, die Voraussetzung für die Übernahme war, räumte das Bochumer Unternehmen am Freitag ein.

"Wir haben keine Not"

"Am Ende haben dann zu viele Leute zu hoch spekuliert", sagte Vonovia-Chef Rolf Buch Reuters. Er war 2016 schon einmal mit seinem Vorhaben an den Deutsche-Wohnen-Aktionären gescheitert. Eine Hintertür lässt er sich aber offen. Ein erneutes Übernahmeangebot sei möglich – aber es gebe auch andere Optionen: "Wir können nichts tun – wir können kaufen, wir können verkaufen", sagte Buch. "Wir haben keine Not", versicherte er – Vonovia komme auch allein zurecht.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Freitag bereits über das drohende Scheitern der Fusion der beiden DAX-Konzerne berichtet.

Endgültiges Ergebnis am Montag

Zusammen kämen die Immobilienriesen auf mehr als 550.000 Wohnungen im Wert von mehr als 80 Milliarden Euro. Vonovia hatte den Aktionären des Berliner Rivalen 52 Euro je Aktie geboten und die Berliner Landespolitik mit Zugeständnissen beruhigt. Das Bundeskartellamt hatte den Plänen bereits zugestimmt. Anders als vor fünf Jahren hatte Buch auch den Deutsche-Wohnen-Vorstand um Michael Zahn auf seine Seite gezogen. Doch zahlreiche Aktionäre spielten nicht mit.

Bis zum Ablauf der Frist in der Nacht zum Donnerstag konnte sich Vonovia nur 47,62 Prozent der Deutsche-Wohnen-Aktien sichern. Am Freitagabend endete um 18 Uhr die Frist, in der verspätet eingetrudelte Aktien noch gebucht werden können. Das endgültige Ergebnis wird am Montag bekannt gegeben.

Weitere Optionen

"Ein Zusammenschluss beider Unternehmen macht sowohl wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch viel Sinn, um die großen Herausforderungen am Wohnungsmarkt kraftvoller angehen zu können. Leider haben die jetzigen Aktionäre der Deutsche Wohnen ihre Anteile nicht ausreichend eingeliefert", erklärte Buch.

Er gibt den Plan noch nicht endgültig auf: "Wir werden die möglichen Optionen, wie zum Beispiel einen Verkauf der von Vonovia gehaltenen Aktien an der Deutsche Wohnen, ein erneutes öffentliches Angebot oder den Erwerb weiterer Aktien nun sorgfältig prüfen." Um rasch einen neuen Anlauf zu nehmen, braucht Vonovia aber die Zustimmung des Deutsche-Wohnen-Vorstands – sonst müssen die Bochumer mindestens zwölf Monate warten.

Vonovia hält immerhin 18,36 Prozent an Deutsche Wohnen. Zum gebotenen Preis ist das Paket rund 3,4 Milliarden Euro wert. Die Aktionäre von Deutsche Wohnen glauben offenbar auch, dass es in einem dritten Anlauf klappt. Die Aktie schloss 0,4 Prozent höher bei 51,12 Euro. Vonovia verloren 2,7 Prozent auf 57,62 Euro.

Fonds als mögliches Zünglein an Waage

Gescheitert ist Vonovia Insidern zufolge unter anderem an Hedgefonds, die sich – wie häufig in Übernahmesituationen – massiv in die Deutsche-Wohnen-Aktie eingekauft hatten. Rund ein Drittel der Papiere lag in ihren Händen. Sie spekulieren in der Regel darauf, dass die Übernahme durchgeht, sie aber bei einem möglichen späteren Abfindungsangebot mehr Geld bekämen, sagten Insider.

Die Fonds hätten sich sicher gewähnt, dass Vonovia auch ohne ihre Aktien auf die geforderten 50 Prozent kommen würde. "Viele wussten, dass sie den Deal über die Schwelle tragen müssen, wollten aber gleichzeitig möglichst viel in der Hinterhand halten, weil sie hofften, dass es später irgendwann noch ein besseres Angebot gibt", sagte Buch.

Mehrere Investmentbanken hatten zuletzt große Aktienpakete an Deutsche Wohnen gemeldet; sie halten diese oft treuhänderisch für Hedgefonds. Aus der Deckung gewagt hatte sich nur der aktivistische Investor Elliott, der im Juni eine Beteiligung von drei Prozent gemeldet hatte.

Ein zusätzliches Problem bei Übernahmen: Indexfonds (ETFs) dürfen ihre Anteile erst dann abgeben, wenn feststeht, dass die Fusion perfekt ist und das Unternehmen letztlich aus dem Index ausscheidet, den sie abbilden. Mit ihren Papieren kann ein Bieter daher erst während der Nachfrist rechnen, wenn die Entscheidung schon gefallen ist.

Vonovia hatte mit dem Plänen auch auf einen Neuanfang in der Diskussion um die Höhe der Mieten und knappen Wohnraum in Berlin und der Bundesrepublik gesetzt. Dem Land Berlin sollten Wohnungen verkauft und Mieten in der Hauptstadt über Jahre gedeckelt werden. "Wir haben durch die Pläne eine positive Bewegung in Berlin erzeugt", sagte Buch. "Wir wollen zusammen mit dem Berliner Senat den eingeschlagenen Weg weitergehen", versicherte er. (APA, dpa, 23.7.2021)