Klimaschutz ist eine schwere Partie: Aus einem riesigen Deck von Maßnahmen müssen die richtigen Karten ausgespielt werden, um das gewünschte Ergebnis – eine Verlangsamung der Erderwärmung – zu erzielen. Einen Joker, der direkt zum Ziel führt, gibt es nicht. DER STANDARD hat sich durch Studien gewühlt und Experten befragt – und sechs Klimaschutz-Ideen als Kartenquartett ausgespielt und bewertet.

Eine schnelle Partie

Es ginge alles sehr rasch: Man müsste nur 100er-Tafeln auf Autobahnen aufstellen und Radargeräte rekalibireren und Österreich würde immerhin eine halbe Million Tonnen CO2 einsparen. Dazu kommen geringere Emissionen an Stickoxiden und Feinstaub. Gerecht wären die Tempolimits obendrein, gelten sie doch für Sportwagen wie für Schrottkiste gleichermaßen. Nur: Beliebt sind ist der Klima-Hunderter nicht. Laut einer Gfk-Umfrage aus dem Jahr 2019 sind zwei Drittel zumindest mehr oder weniger gegen ein neues Tempolimit.

Illustration: Michaela Köck

Straight Flush in grün

Der Verkehr ist das Sorgenkind der österreichischen Klimapolitik: Seit 1990 sind die Emissionen aus dem Verkehr von 14 auf fast 24 Millionen Tonnen angestiegen. Ein Verbot von neuen Verbrenner-Autos bis 2035 soll es richten. Diese Umfärbung des Straßenverkehrs auf Grün lässt sich der Staat so einiges kosten. Probleme wie Lärm, Staus oder Flächenversiegelung gibt es allerdings auch beim E-Auto.

Bei der Mobilitätswende dürfe man sich allerdings nicht alleine auf das Auto konzentrieren, sagt Michael Soder, Experte für grünen Strukturwandel bei der AK Wien. Das Zehntel mit dem geringsten Einkommen hat in der Regel kein Auto und ist auf andere Mobilitätsformen angewiesen. Generell müsse stärker auf Öffentlichen Verkehr, Radinfrastruktur und Sharing-Modelle gesetzt werden. Auch für Pendler, die oft auf das Auto angewiesen sind, müssten Lösungen her.

Illustration: Michaela Köck

Der Bauernschnapser

Ein Zehntel aller Treibhausgase in Österreich entsteht in der Landwirtschaft, nicht wenig davon geht auf das Konto der Fleischproduktion. Höhere Preise für Fleisch könnten den Konsum zügeln und das Klima schützen. Laut einer Profil-Umfrage aus dem vergangenen Jahr wären aber nur 14 Prozent bereit, mehr für Fleisch zu bezahlen.

Ärmere Haushalte, die einen größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmitel ausgeben, würde teureres Fleisch besonders treffen. Die Steuerdiskussion bei Lebensmitteln hält Soder deshalb für problematisch. Er sieht hingegen Potential bei den Faktoren Qualität und Produktionsbedingungen. Gerade in der Fleischproduktion gibt es viele prekäre Arbeitsverhältnisse.

"Würde der Gesetzgeber strengere Auflagen vorschreiben bedeudet dies nicht zwangsläufig eine Preissteigerung für die KonsumentInnen. Aufgrund des Wettebwerbs könnten die strengeren Auflagen durch eine Verschiebung der Gewinnmargen kompensiert werden. Für verbesserte Haltungs- und Arbeitsbedingungen würde wohl auch Unterstützung in der Bevölkerung höher sein", so Soder.

Illustration: Michaela Köck

Die schwarzen Peter ablegen

Das Land am Strome produziert schon jetzt drei Viertel seiner Elektrizität erneuerbar. Bis 2030 sollen auch die letzten fossilen Kraftwerke vom Netz gehen. Kompliziert – und teurer – wird es bei der Wärme. 630.000 Haushalte heizen noch mit Öl, eine Million mit Gas. Bis spätestens 2040 sollen sie auf Fernwärme, Wärmepumpe oder ähnliches umsteigen. Ein Heizungstausch kann schon mal 20.000 Euro kosten – die Ärmeren hätten das Bummerl.

Diese Menschen müsste der Staat finanziell unterstützen. "Für die untersten zehn Prozent müssten die kompletten Kosten eines Heizungstausches übernommen werden, weil für sie eine Finanzierung sonst unmöglich ist", sagt Sandra Matzinger, Expertin für Energiepolitik bei der Arbeiterkammer Wien.

Illustration: Michaela Köck

Das Ass im Ärmel

Rund eine Million Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle produziert Österreich pro Jahr – ein Drittel alles produzierten Essens. Multipliziert man die Menge mit durchschnittlichen CO2-Emissionen von 2,5 Kilogramm pro Kilo Lebensmittel, kommt man auf eine beträchtliche Summe an Treibhausgasen, die durch die sinnlose Verschwendung entstehen.

Sie einzudämmen würde wohl niemandem wehtun – und könnte sogar Geld sparen. Möglich wäre das etwa durch eine Ausweitung des Mindesthaltbarkeitsdatums oder ein Wegwerfverbot für Supermärkte und Gastronomie.

Illustration: Michaela Köck

Die Trumpfkarte?

Geht es nach der klassischen Ökonomie, ist eine flächendeckende Bepreisung von CO2, etwa als Steuer oder mit Zertifikaten, die effizienteste Lösung zur Reduktion von Treibhausgasen. Der Ausstoß jeder Tonne solcher Gase würde dann einen bestimmten Betrag kosten – egal ob sie aus einem Flugzeug, Kraftwerk oder Acker kommt. Unternehmen, aber auch Privathaushalte hätten dann einen monetären Anreiz, ihre Emissionen zu reduzieren. Durch Emissionshandel würden CO2 zuerst dort reduziert, wo es am günstigsten ist.

Wie teuer und gerecht eine CO2-Bepreisung ist, hängt davon ab, wie der Staat mit den Einnahmen umgeht. Einen reinen Marktmechanismus ohne sozialen Ausgleich hält Sandra Matzinger von AK Wien jedenfalls für "katastrophal". Ein reines Preissignal hätte oft nicht die Wirkung auf Haushalte, die man sich erhofft – etwa, weil keine Alternativen verfügbar und leistbar sind.

Eine Möglichkeit wäre etwa, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gleichmäßig wieder an die Bevölkerung auszuschütten. Wer weniger Treibhausgase emittiert steigt dann besser aus als zuvor. Auch soziale Härtefälle müssten zusätzlich durch Invesitionen unterstützt. Dann wäre eine solche Steuer sozial verträglicher, sagt Matzinger. (Philip Pramer, 24.7.2021)

Illustration: Michaela Köck