Ein Trainingsfoto von 2012 aus dem Dusika-Stadion: Andreas Müller (links), bald in Tokio am Bahnstart, und Patrick Konrad, heuer Etappensieger bei der Tour de France und am Samstag 18. im olympischen Straßenrennen, nehmen Matthias Riebenbauer in die Mitte.

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Ja, Anna Kiesenhofer ist eine Sensation, ein Zufall. Doch nein, aus dem Nichts kam der größte Erfolg im heimischen Radsport keineswegs. Kundige hatten Kiesenhofer durchaus auf der Rechnung für einen Spitzenplatz. Und auch bei den Männern hat sich in jüngerer Vergangenheit viel getan, zuletzt sorgte vor allem Patrick Konrad für Furore. Den Giro d’Italia beendete er einmal als Siebenter, einmal als Achter, heuer gewann er eine Etappe der Tour de France, im olympischen Straßenrennen kam er auf Rang 18.

Radfahren boomt ganz generell, nicht nur an der Spitze. Die Nachfrage nach Sportgeräten ist auch Corona-bedingt enorm, Hersteller kommen mit dem Ausliefern nicht nach, Verkäufer müssen die Kunden vertrösten. "Das Rad ist von den Jungen entdeckt worden, aber auch von den Älteren, vor allem von vielen Frauen", sagt Harald Mayer, Präsident des Radsportverbands (ÖRV). Den Boom zu nützen, Talente zu entdecken und zu fördern, das ist oder wäre nun die Aufgabe. Doch ausgerechnet jetzt wird dem ÖRV der Boden unter den Rädern weggezogen – schon in wenigen Wochen beginnt der Abriss des Ferry-Dusika-Stadions in Wien. 1977 eröffnet, hat es am Handelskai in Prater-Nähe eine seit 1931 bestehende Freiluft-Radrennbahn ersetzt. Nun muss das Stadion einer neuen, Ballsport-lastigen Arena weichen.

Die Bahn ist die Basis

ÖRV-Chef Mayer kann die betriebswirtschaftlichen Überlegungen hinter der Entscheidung verstehen. Nicht verstehen kann er, "dass man uns vollkommen allein gelassen und sich nicht um eine Alternative bemüht hat. Das ist nicht in Ordnung." Da spricht er speziell die Stadt Wien und somit den zuständigen Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) an. Der Bund mit Sportminister Werner Kogler (Grüne), sagt Mayer, habe dem ÖRV zwar Unterstützung signalisiert, könne aber die Finanzierung einer neuen Halle sicher nicht allein stemmen.

Der Verband hofft schon deshalb weiterhin auf Wien, weil die größte Stadt mit dem größten Einzugsgebiet naturgemäß über das größte Nachwuchspotenzial verfüge und im Landesverband und in vielen Vereinen hervorragend gearbeitet werde. Die Rennbahn ist die Basis des Radsports. Nur hier kann in sicherem Umfeld und etwa auch im Winter trainiert werden. "Welche Eltern würden ihre Kinder zum Trainieren in den Straßenverkehr schicken?", fragt Mayer und fügt hinzu: "Kinder und Jugendliche lernen auf der Bahn, sich im Pulk zu bewegen, zu steuern und Geschwindigkeiten abzuschätzen." Es spreche auch nichts dagegen, eine Bahn zu bestimmten Zeiten Hobbyisten zur Verfügung zu stellen. Auch so könne sich das eine oder andere Talent herauskristallisieren.

Keine Zusage der Stadt Wien

Nur muss sie halt da sein, die Bahn – und jetzt ist sie bald weg. Vor kurzem wurde im Dusika-Stadion bei Temperaturen von fast 40 Grad zum letzten Mal um Meistertitel geradelt. "Wie wichtig eine neue Bahn wäre", sagt Mayer, "wollen die Fördergeber bis jetzt nicht erkennen." Für Leichtathletik und Turnen, bis vor kurzem ebenfalls im Dusika-Stadion untergebracht, wurden zumindest Übergangslösungen gefunden. Die Leichtathleten trainieren nun in einer Halle am Wienerberg, die Turner sollen bald in die nahe Sport-&-Fun-Halle übersiedeln, wo deshalb Wiens einziger Inline-Hockey-Indoorplatz Geschichte ist.

Macht man ohne Anschieber keinen Meter im Sport in Wien? Mayer will es nicht glauben. Er sagt, er habe der Stadt ein Konzept mit überschaubaren Kosten präsentiert. Zum einen soll eine 200-m-Bahn gefunden, gemietet und in eine Halle gestellt werden, damit flott wieder trainiert werden kann – das scheiterte bis jetzt daran, dass sich in Wien keine geeignete Halle finden ließ. Zum anderen gibt es den Plan, ein Trainingszentrum für den Radsport zu installieren. "Doch bis jetzt sagt die Stadt nicht", sagt Mayer, "dass sie da dabei sein will." (Fritz Neumann, 26.7.2021)