Zu Beginn der türkis-grünen Zusammenarbeit streuten die beiden Klubchefs Sigrid Maurer und August Wöginger einander Rosen. Zuletzt klangen beide etwas weniger enthusiastisch. Das Koalitionsklima sei "intakt", sagten sie in einem gemeinsamen Interview Mitte Juli.

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Innenpolitisch gab es vergangene Woche vor allem ein Thema: die von Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) angekündigten Evaluierungen großer Straßenbauprojekte – Anlass war ein Entschließungsantrag, der sich diesbezüglich vor allem um eine Schnellstraße in Vorarlberg dreht. Wie unterschiedlich hier die Ansichten der beiden Koalitionsparteien Türkis und Grün sind, zeigten die unterschiedlichen Wortmeldungen zu dem Thema. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mahnte etwa, dass Klimaschutz nicht Verzicht bedeuten und kein Weg in die Steinzeit sein solle – Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) attestierte ihm deswegen erst am Sonntag "altes Denken und Politik von gestern".

Kurz bringt Klima-Lockdowns ins Spiel

Kurz legte am Sonntag im Interview mit der "Bild"-Zeitung nach, als er von "Klima-Lockdowns" sprach, die manche gerne hätten – das öffentliche Leben herunterfahren, um das Klima zu retten. Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer sagte dazu am Montag im "Morgenjournal": "Niemand fordert solch absurde Dinge." Sie wisse nicht, wovon der Kanzler hier spreche. Es gehe darum, die Mobilität auszubauen, und diese werde sich verändern. "Wir werden in Zukunft nicht mehr mit stinkenden Autos fahren."

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Am Sonntagabend brachte sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in die aktuelle Debatte ein. Der ehemalige Grünen-Chef ging bei seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele auf Mozarts "Don Giovanni" ein und bezog sich vor allem auf Leporello, den Diener des Titelhelden der Oper , der nach dem Tod Don Giovannis beschließt, einen besseren Herrn zu finden.

Van der Bellen verglich dieses Ende der Oper mit der aktuellen Situation. Die Pandemie sei zwar so weit unter Kontrolle, dass man wieder ein Stück Normalität zurückgewonnen habe. Er frage sich aber, was die Rückkehr zur Normalität bedeuten würde, wenn diese eine Rückkehr zum Status quo ante wäre. "Eine Rückkehr zu einem Leben, das in vielen Bereichen – finde ich – nicht normal gewesen ist. Ich fand es seit Jahren nicht normal, wenn versucht wird, Wirtschaft, Ökologie, soziale Verantwortung gegeneinander auszuspielen." Er finde es falsch, Maßnahmen gegen den Klimawandel weiter hinauszuschieben und so zu tun, als würde dieser einfach von selber vorbeigehen. "Das ist nicht normal, das ist fahrlässig. War aber Normalität über viele Jahre hinweg."

Maurer nimmt "Privatmeinung" des Kanzlers zur Kenntnis

Sowohl in der "ZiB 2" als auch im "Morgenjournal" meinte Maurer, die Grünen würden sich nicht vom Weg abbringen lassen. Dass Kurz letzte Woche gesagt habe, die Vorarlberger Schnellstraße werde gebaut, Evaluierung hin oder her, sei seine "Privatmeinung", die nehme sie zur Kenntnis. Aber: Es sage einem doch der Hausverstand, dass man Projekte, die vor 20, 30 oder 40 Jahren geplant wurden, noch einmal überprüfen und schauen müsse, ob sie noch zeitgemäß seien oder es klimafreundliche Alternativen gebe, sagte sie am Montag im "Morgenjournal". Gewessler vertrete die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, und diese seien bereit, "mitzugehen", sagte Maurer zur aktuellen Debatte der Evaluierungen.

Unbeantwortete Fragen

Fragen über den Zustand der Koalition wollte Maurer nicht beantworten. Die Menschen in Österreich würden sich nicht für "politischen Hickhack und wer sagt was" interessieren, sondern für Lösungen – "und die liefern wir Grünen". Auch die Frage, ob es für ihre Partei eine Grenze gebe, wo man nicht mehr mit der ÖVP mitkönne – die Grünen stimmten bekanntlich gegen die Verlängerung des U-Ausschusses, sie unterstützten ein Misstrauensvotum gegen ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel nicht –, wollte die Klubobfrau nicht beantworten: "Wir sind gewählt worden für saubere Umwelt und saubere Politik." Man lasse sich nicht von einer Diskussion über eine Vorarlberger Straße – oder "von irgendwelchen Kommentierungen" – von diesem Weg abbringen.

Für – und gegen U-Ausschuss

Ein Ende der Koalition ist für Maurer nicht in Sicht: "Ich halte es für problematisch, dass in Österreich so oft gewählt wird." Es sei das Ziel, das Koalitionsabkommen abzuarbeiten. "Und ich glaube, die Bevölkerung erwartet sich zu Recht, dass gearbeitet und nicht schon wieder gewählt wird."

Konfliktpotenzial zwischen den beiden Regierungspartner bieten freilich auch andere Themen: zuletzt etwa der verstärkte Grenzschutz – oder das zuvor erwähnte Ende des Untersuchungsausschusses. Zu einer möglichen Neuauflage sagt Maurer: "Ja, wir wären dafür. Es gibt noch viele Dinge, die noch aufzuklären sind", sagte sie zu dieser Möglichkeit. Warum die Grünen dann nicht gleich für eine Verlängerung gestimmt hätten? "Wir haben viel diskutiert. Es war nicht möglich, eine gemeinsame Lösung mit der ÖVP zu finden." Die Opposition habe jede Möglichkeit, einen neuen Ausschuss einzuberufen. (red, 26.7.2021)