Kompakter Formfaktor, lange Batterielaufzeit, automatische Verbindung über jedes iPhone: Die Airtags eliminieren die größten Nachteile bisheriger Tracker.

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Schlüsselbund, Geldbörse, Handtasche oder andere wertvolle Besitztümer lassen sich mit Apples handlichem Tracker einfach nachverfolgen, wenn sie verlorengehen. Das kleine Gadget läuft mit einer austauschbaren Batterie und kann über die Internetverbindung in der Nähe befindlicher iPhones über das "Find My"-Netzwerk seine Position kundtun. Der eigens entwickelte U1-Chip soll dabei eine besonders genaue Ortung ermöglichen, ganz ohne GPS.

Wie jede Technologie hat aber auch diese nicht nur gute Einsatzmöglichkeiten. Schon seit dem Marktstart für die Airtags mehren sich Sorgen wegen ihres Missbrauchs für Stalking. Es sei relativ leicht, jemandem ein solches Gerät unterzujubeln und dann seine Bewegungen nachzuverfolgen, berichtete schon im Mai die "Washington Post". Trotz Sicherheitsvorkehrungen, wie dem Hinweis, dass sich ein Airtag mit einem mitbewege, oder dem leisen Alarmpiepsen der Airtags, ist dabei die Chance groß, unentdeckt zu bleiben.

Tracking in aller Welt

In einem spannenden wie auch beunruhigenden Experiment zeigte der Youtuber Megalag auf, dass solches Tracking auch relativ problemlos über große Entfernungen möglich ist. Er verschickte drei Airtags in Paketen. Eines ging an die deutsche Botschaft in Nordkorea, eines war an Tesla-Chef Elon Musk adressiert, das dritte an Apple-CEO Tim Cook.

MegaLag

Dabei konnte er die Transportwege der Sendungen die meiste Zeit gut nachverfolgen und so verschiedene Dinge in Erfahrung bringen. So stieß er etwa auf seltsame Vorgänge bei DHL, wo ihm mitgeteilt wurde, dass sein Paket verschwunden sei, obwohl regelmäßige Positionsübermittlungen des Airtags klar zeigten, dass es sich in einem Logistikzentrum beim Frankfurter Flughafen befand. Von dort aus ging es erst nach einigem Hin und Her und einer fragwürdigen "Fahndung" nach dem Paket wieder weiter. Die Reise für dieses sowie für ein nachträglich ebenfalls gen Nordkorea abgeschicktes Paket endete in China, weil der Sendungsverkehr zwischen China und Nordkorea trotz anderslautender Angaben von DHL aus Pandemiegründen eingestellt war.

Die Sendung an Musk landete zwar bei Tesla, dürfte dort aber keine weitere Aufmerksamkeit erfahren haben. Die letzte Positionsübermittlung legte nahe, dass das Paket in eine Recyclinganlage überstellt worden war. Ein gutes Ende gab es für das Paket an Apple. Dieses traf in Cupertino ein. Etwas später erhielt der Youtuber von dort einen Brief mitsamt seinem Airtag und einem Schreiben eines Assistenten von Tim Cook, der lobende Worte für das Experiment fand.

Stalking per Post

Doch die Vorgangsweise des Videomachers lässt sich auch ganz anders nutzen. Entsprechende Ideen gab es freilich schon vor der Einführung der Airtags. Immer wieder werden vor Gerichten auch Fälle verhandelt, in denen etwa jemand ein Trackinggerät am Auto seines Ex-Partners angebracht hat, um ihn nachzuverfolgen.

Im August 2020 brachte jemand auf der Frage-Antwort-Plattform Quora einen anderen Einfall ins Spiel. Die Person fragte, ob es legal sei, einen GPS-Tracker in ein Paket zu stecken und an die Postfachadresse eines Prominenten zu schicken, um nach der Abholung der Sendung vom Postamt dessen Wohnort in Erfahrung zu bringen.

Schutz nur für iPhone- und Android-User

Viele Tracker, insbesondere GPS-basierte, sind entweder auffällig groß oder bieten nur wenige Tage Akkulaufzeit und benötigen eine eigene SIM-Karte, um ihren Standort überhaupt über Strecken außerhalb von WLAN- oder Bluetooth-Reichweite mitteilen zu können. Apples Airtags heben diese Hürden auf. Die integrierte, austauschbare CR2032-Knopfbatterie soll eine Laufzeit von bis zu einem Jahr bieten und ermöglicht gleichzeitig den winzigen Formfaktor. Und solange ein iPhone mit Internetverbindung in die Nähe kommt, ist auch das Verbindungsproblem gelöst. Letzteres ist, so zeigte auch das Youtube-Experiment, angesichts der hohen Verbreitung dieser Handys keine allzu große Hürde.

Auch andere kleine Tracker ermöglichen theoretisch ähnliche Nachverfolgung, wie sie mit den Airtags realisierbar ist. Beispiele wären etwa Tile oder Samsungs Smart Tags. Beide setzen ebenfalls auf das "Aufspüren" durch andere Geräte, die Teil des jeweiligen "Suchnetzwerks" (Tile Network bzw. Galaxy Find) sind. Hier dürfte die Gerätedichte aber deutlich niedriger liegen, als bei Apples "Find My"-Netzwerk, was eine erhebliche Einschränkung für die Nachverfolgung auf große Distanz darstellt.

Erschwerend kommt hinzu, dass es zwar die bereits erwähnten Mechanismen gibt, über die zumindest iPhone-Nutzer über die Präsenz eines fremden Airtags in Kenntnis gesetzt werden, allerdings noch keine für Android-Handys. Apple arbeitet nach eigenen Angaben zwar an einer Android-App, die noch in diesem Jahr erscheinen soll, einen konkreteren Releasetermin gibt es aber noch nicht. Wer ein Feature Phone, ein Smartphone mit anderem Betriebssystem oder gar kein Mobiltelefon mit dabei hat, bleibt aber selbst dann außen vor (gpi, 26.7.2021)

Update, 15:50 Uhr: Apples Airtags nutzen, entgegen der ersten Darstellung, kein GPS, sondern einen eigenen "Ultrabreitband"-Chip (U1), der eine genaue Ortung erlauben soll, wenn ein iPhone in der Nähe ist. Dies wurde im Text korrigiert.

Update, 16:45 Uhr: Erklärender Absatz zu ähnlichen Trackern hinzugefügt.