Durch den Corona-Filter: Selbst vor 2020 entstandene Werke – wie hier aus der Bilderserie des Malers Matthias Lautner von 2019 – sieht man heute frappierend anders.
Foto: Foto: Matthias Lautner / Bildrecht Wien

Das in Worte gefasste Lebensgefühl der vergangenen Monate prangt hoffnungsvoll an der Hausfassade und auch am Ende der pompösen Stiege des Künstlerhauses: "Mir fehlt das Meer". Bald soll der Spruch des Künstlers Pablo Chiereghin außerdem an der Wiener Karlskirche hängen. Vier Worte, die eine nie dagewesene Sehnsucht beschreiben. Manche haben sie schon gestillt, andere warten noch.

Generell sind das Abwarten, die Leere und die Isolation zentrale Themen in (K)ein Mensch ist eine Insel, sie spuken wie Geister vergangener Tage durch die Räume. Beauftragt wurden die beiden Kuratoren Günther Oberhollenzer und Larissa Agel, eine Gruppenschau mit zeit genössischer Kunst zur aktuellen Situation zu konzipieren. Insgesamt sind Werke von 42 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen – und somit die erste große Mitgliederausstellung des Künstlerhausvereins seit den 1990er-Jahren.

Von Anfang an war aber klar, dass dies keine Corona-Ausstellung werden sollte. Eher sollten Themen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens im Fokus stehen – der Großteil der Arbeiten ist auch bereits vor der Pandemie entstanden. Doch hat sich der Blick darauf durch die Erfahrungen der letzten Zeit geändert.

Treffpunkt der Jugend heute: Margot Pilz Aktion "Kaorle am Karlsplatz" im öffentlichen Raum 1982.
Foto: Margot Pilz/Bildrecht Wien

Alleine am Abgrund

So sind leere Stuhlreihen auf dem Petersplatz in Rom, die Stella Bach 2006 fotografiert hat, nicht mehr einfach unbenützte Sitzmöglichkeiten. Auch wartende Männer in Tuschezeichnungen von Christian Bazant-Hegemark oder in der Luft sitzende Skulpturen von Judith Wagner scheinen nicht mehr einfach zu warten, sondern das Ende eines Lockdowns zu erhoffen. Zwar spenden Fotos des Projekts Kaorle am Karlsplatz von Margot Pilz oder die bunten Figuren von Robert Hammerstiel freudigen Trost, vieles hier wirkt aber eher bedrückend.

Einsame Menschen sitzen in ihren Wohnungen, stehen vor einem Abgrund oder sprechen mit sich selbst. Am heftigsten bei Matthias Lautner: Die Figuren in seinen Bildern scheinen in Zellen gesperrt. Haben sie resigniert? Innenräume oder der Blick aus ihnen heraus sind wiederkehrende Elemente und zeigen die Diskrepanz zwischen öffentlichem und privatem Raum, die nun verstärkt zum Politikum wurde.

Man sieht kauernde Körper, menschenleere Orte und architektonische Modelle – auch die Gesellschaft als Gemeinschaft soll hier abge bildet werden. Diese kollektive Erfahrung machen aktuelle Foto serien von ausgestorbenen Begegnungszonen oder geschlossenen Clubs während des ersten Lockdowns sichtbar. Wie ein klebriger Schleier haftet diese groteske Erinnerung an einem selbst. Vielleicht ganz gut, sich das in Erinnerung zu rufen – und den Sommer noch in vollen Zügen zu genießen. (Katharina Rustler, 27.7.2021)