Kein Kitsch: Franz Welser-Möst dirigierte die Philharmoniker.

Foto: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

Salzburg – Ouverture hin, sprituelle her. Richtig angefangen haben die Festspiele in Salzburg ja doch erst nach den ersten Takten Richard Strauss. Die Suite aus der Oper Der Rosenkavalier op. 59, gespielt von den Wiener Philharmonikern unter Franz Welser-Möst: Da wird das vielbeschworene "Wienerische" vom Klischee zum präzis ausgeloteten Programm. Die Walzerseligkeit gerät nach wenigen Drehern ins Wanken. Praterklamauk wird schon am Taktende zur Endzeitvision. Witz und Ironie behaupten sich bei solch analysierendem und zugleich musikantischem Zugang noch im üppigsten Wohlklang.

Das geht mit der Miniatur leichter als mit dem Monument. Dennoch schien Franz Welser-Möst mit ähnlich distanzierendem Blick auch der Alpensinfonie op. 64 auf die Sprünge zu helfen. In dieser musikalisch gemalten Bergtour ist von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang alles ein wenig exaltiert. Kein noch so scharfer Musikerverstand kriegt Kuhglocken und Donnerblech aus der Partitur.

Blumige Wiesen und Felsbrocken

Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker ließen denn auch Richard Strauss seinen Almrausch. Auf blumige Wiesen ließen sie die Sonne glitzern, aus dem Nichts unheimliche Nebel, aber nirgendwo Kitschbilder aufsteigen. Da und dort klang es im Bläser- und Schlagwerksatz gar ein wenig fernöstlich, und die Kuhglocken schienen überhaupt nur leis’ von der übernächsten Alm herüberzuklingen. Dafür waren Gewitter und Sturm Filmmusik pur. Da flogen die Felsbrocken. Der abendliche Empfang der Wanderer mit frommem Orgelklang aus der Dorfkirche ging in der Lesart von Welser-Möst alsbald unter in fahlen Nachtklängen.

Ganz ohne Frömmelei geht es nicht in Salzburg. Daher dazwischen Frank Martins Sechs Monologe aus Jedermann für Bariton und Orchester. Matthias Goerne rezitierte singend und sang rezitierend mit inzwischen beinahe Bass-schwarzer Stimme Passagen aus dem Spiel vom Sterben des reichen Mannes. Nicht immer ganz wortdeutlich, aber voll Respekt und Gespür für den archaisierenden Text. (Heidemarie Klabacher, 26.7.2021)