Foto: Matthias Cremer

Die Telefone am Landesgericht Eisenstadt sind in den vergangenen Tagen heiß gelaufen – und sie tun es noch immer. Empörte und verunsicherte (indirekte) Miteigentümer der pleitegegangenen Commerzialbank Mattersburg wenden sich an die Konkursabteilung des Gerichts, von der sie jüngst Post bekommen haben.

Anlass der Beschwerde- und Anfrageflut ist ein Beschluss des Gerichts, in dem es um Nachschusspflichten geht. Eigentümerin des Mattersburger Instituts war ja eine Personal- und Kommerzialkreditgenossenschaft (PKG), die im September 2020 in Konkurs ging. Da ihr Vermögen nicht zur Deckung der Gläubigerforderungen reicht, sind die Genossenschafter nachschusspflichtig. Sie müssen einzahlen. Wobei ein Anteil 7,27 Euro wert ist.

7.000 Euro am Konto

Gemäß PKG-Satzung haftet jedes Genossenschaftsmitglied mit seinem Geschäftsanteil plus dem Einfachen davon – im konkreten Fall sind das laut Masseverwalter in Summe rund 367.000 Euro. Die Zahlen, die er errechnet hat, sind eindrücklich: Das Guthaben auf dem Massekonto beträgt 7.057,80 Euro. Aus strittigen Schadenersatzforderungen sind maximal 50 Millionen Euro herauszuholen und von den Genossenschaftern eben die 367.000 Euro. Dem stehen freilich Insolvenzforderungen von zumindest 484 Millionen Euro gegenüber. Macht einen Abgang von mindestens 434 Millionen Euro.

Nachdem der Masseverwalter das alles berechnet hatte, hat das Landesgericht (LG) Eisenstadt in der Vorwoche alle Genossenschafter beziehungsweise deren Erben davon informiert – rund 2.500 Adressaten. Der Brief fiel umfänglich aus: Mitgeschickt wurde die 27-seitige Liste mit den Namen aller Genossenschafter, samt Geburtsdatum, Adresse, Anzahl ihrer Anteile und Nachschusssumme. Auf weiteren 17 Seiten sind die Erben verstorbener Genossenschafter angeführt und ob sie bedingte oder unbedingte Erberklärungen abgegeben haben.

Aufregung um Datenschutz

Zu den Genossenschaftern gehören auch Exbankchef Martin Pucher (3.406 Anteile) und seine frühere Vorstandskollegin K. (1.071 Anteile). Sie werden allerdings nicht viel beitragen können, ist doch K. in Privatkonkurs und bei Pucher läuft ein Schuldenregulierungsverfahren.

Viele der betroffenen Genossenschafter wandten sich empört ans Gericht – nicht nur wegen der Nachforderungen, sondern vor allem auch wegen Datenschutzbedenken. Jeder Angeschriebene kenne nun die Daten aller Genossenschafter, zudem wisse nun sogar jeder, wo Pucher und seine Exkollegin aus dem Bankvorstand wohnen, kritisiert einer der Betroffenen gegenüber dem STANDARD. Beide Exbanker haben ja Malversationen von etlichen hundert Millionen Euro gestanden; für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Einsicht für alle

Das LG Eisenstadt freilich weist datenschutzrechtliche Bedenken wegen der Zusendung der gesamten Beitragsliste zurück. Gemäß Genossenschaftsinsolvenzgesetz müsse das Gericht die Beitragslisten für alle Genossenschafter beziehungsweise Erben zur Einsicht auflegen – dass die Listen zugeschickt wurden, sei daher eine "Serviceleistung", damit nicht alle ins Gericht kommen müssen. Das sei auch unter Corona-Gesichtspunkten von Bedeutung.

Darüber hinaus könnten auch alle anderen Interessierten Details zu den Genossenschaftern und ihren Anteilen eruieren, denn das Genossenschaftsregister ist öffentlich einsehbar. Soll heißen: Jeder kann am jeweiligen Gericht (online sind die Daten nicht abrufbar) nachschauen, wer seit wann und mit welchen Anteilen an einer Genossenschaft beteiligt ist.

Haftung war einst 20-mal höher

Wie es nun für die betroffenen Genossenschafter weitergeht? Sie haben zwei Wochen Zeit, Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen ("Erinnerungen" heißen die im Insolvenzverfahren von Genossenschaften), und am 11. Oktober wird das Gericht entscheiden, ob es die Beitragsberechnung des Masseverwalters genehmigt.

Früher hätten die Genossenschafter der späteren Commerzialbank-Mutter übrigens mehr geblutet. Bis 1997 haben sie laut Satzung mit ihrem Geschäftsanteil plus dem 20-Fachen dieses Anteils gehaftet. (Renate Graber, 26.7.2021)