Die Zuschauerränge bleiben bei den Olympischen Spielen in Tokio Corona-bedingt leer – auf Kosten des japanischen Veranstalters.

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Sportlicher Erfolg ist bei Olympischen Spielen nur eine Seite der Medaille: Für Sponsoren geht es um Imagegewinn, für das Internationale Olympische Komitee (IOC) um den Verkauf von TV-Übertragungs- und Werberechten. Austragungsländer profitieren von Ticketverkäufen, Investitionen in die Infrastruktur und von nachhaltigen Effekten auf den Tourismus – zumindest theoretisch, denn Olympia könnte für Gastgeber Japan zum finanziellen Fiasko werden.

Bei bisherigen Spielen stieg im Jahr des Events und dem Jahr davor das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Austragungsregion um drei bis vier Prozent gegenüber dem BIP des gesamten Gastgeberlandes, wie Wifo-Ökonom Matthias Firgo in einer aktuellen Studie darlegt. Ein Gutteil dieses kurzfristigen wirtschaftlichen Nutzens lässt sich auf internationalen Tourismus zurückführen.

Damit rechnete auch Japan: Mehr als 40 Millionen Touristen aus aller Welt hätten die lokale Wirtschaft ankurbeln sollen. Corona-bedingt werden die Sportevents allerdings fast gänzlich ohne Zuschauer stattfinden. Schon im März hatte Japan angekündigt, dass keine ausländischen Besucher an den Veranstaltungen teilnehmen können. Der Plan, zumindest bis zu 10.000 einheimische Fans in die Sportstätten zu lassen, löste sich Anfang Juli wegen steigender Infektionszahlen in Luft auf. In Tokio herrscht seither wieder Corona-Notstand.

Sponsoren auf Rückzug

Wenige Tage vor Eröffnung der Spiele ging am Freitag auch noch Hauptsponsor Toyota auf Distanz zu den Veranstaltern. Das Unternehmen kündigte an, geplante Werbespots mit Bezug zu Olympia nicht auszustrahlen. CEO Ako Toyoda sagte seine Teilnahme an der Eröffnungszeremonie ab. Der Autokonzern hatte im Vorfeld rund 425 Millionen Euro in Sponsorenrechte investiert. 60 japanische Unternehmen steckten insgesamt rund drei Milliarden Euro in das Megaevent.

Offizieller Anlass für die Absage für die Eröffnungsfeier war laut einer Konzernsprecherin das geringe Zuschauerkontingent. Der wahre Grund dürfte allerdings woanders liegen: Toyota fürchtet einen Imageschaden – nicht nur aufgrund der zahlreichen Corona-Infektionen im olympischen Dorf, sondern auch wegen einer Reihe an Skandalen im Vorfeld der Eröffnung.

Bereits im Februar war der für den Event zuständige Minister Yoshiro Mori wegen sexistischer Kommentare zurückgetreten. Der Kreativdirektor der Eröffnungsfeier, Hiroshi Sasaki, musste aufgrund abschätziger Äußerungen gegenüber einer japanischen Entertainerin seinen Platz räumen. Dessen Nachfolger Kentaro Kobayashi trat ebenfalls ab. Vergangenen Donnerstag war ein Video aus dem Jahr 1998 veröffentlicht worden, in dem sich der frühere Komiker über den Holocaust lustig gemacht hatte.

Für Sponsoren ist dabei sein also nicht alles, sondern eine Abwägungsfrage. Lokale Unternehmen zeigten sich zuletzt zurückhaltend – auch deshalb, weil die Mehrheit der japanischen Bevölkerung Olympia kritisch gegenübersteht. In einer aktuellen Umfrage von "Asahi Shimbun", der zweitgrößten Zeitung des Landes, sprachen sich 55 Prozent der Japanerinnen und Japaner gegen die Spiele in Tokio aus.

Kostenexplosion

Olympia 2021 ist kaum eine Woche alt, ein Rekord aber bereits fix: Die Sommerspiele dürften die teuersten der Geschichte werden – obwohl die Organisatoren bei der Vergabe an Tokio mit einem schlanken Etat in der Höhe von 6,4 Milliarden Euro geworben hatten. Das offizielle Budget der Spiele beträgt mittlerweile 13 Milliarden Euro. Der tatsächliche Aufwand dürfte aber noch größer sein.

Bereits 2019 hatte die japanische Rechnungsprüfung kritisiert, dass im offiziellen Haushalt fast neun Milliarden Euro an staatlichen Olympia-Ausgaben nicht berücksichtigt wurden. Allein die Verschiebung auf 2021 kostete weitere 2,1 Milliarden Euro, dazu kamen Kosten für die Corona-Maßnahmen. Wohlgemerkt: Bei Investitionen der Regierung in Infrastruktur und Tourismus ist oft nicht eindeutig, was für Olympia aufgewendet wurde und was ohnehin hätte bezahlt werden müssen.

Das IOC verdiente an den Spielen in Rio de Janeiro rund 5,3 Milliarden Euro und wird dank der Einnahmen aus TV-Übertragungsrechten und Sponsorings auch dieses Jahr gut aussteigen. Obwohl das IOC Veranstaltungskosten zuschießt – in Rio waren es etwa 1,3 Milliarden Euro –, wird für das Verlustgeschäft letztlich Japan aufkommen müssen. (Jakob Pflügl, 27.7.2021)