Annalena Baerbock lässt ihren bekannten Esprit vermissen.

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Nun ist die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nicht wirklich das Hausblatt der deutschen Grünen, auch nicht ihre Sonntagsausgabe. Aber wenn das große überregionale, liberal-konservative Blatt einen Experten zu deren Wahlkampf befragt und dieser antwortet, die allgemeine Stimmung im Land sei "Gott bewahre uns vor Baerbock!", dann kann das die Kandidatin nicht kaltlassen. "Wenn die CDU der Platzhirsch ist", sagt Karsten Göbel, der 2013 Peer Steinbrück (SPD) zu 25,7 Prozent verhalf, "dann müssen die Grünen der Angreifer sein."

Nun mag man bezweifeln, dass Armin Laschet starke Vorstellungen liefert. Sein Lacher im Flutkatastrophengebiet hat ihn viel Ansehen gekostet. Aber die Union liegt in allen Umfragen plus/minus zehn Prozent vor den Grünen – und die wirken rundum mutlos. Das merkt man auch bei den blassen Plakaten mit Slogans, denen der einstige Witz komplett fehlt.

Dazu hat Baerbock nach ihrem verpatzten Wahlkampfauftakt genau jene Lockerheit verloren, die sie nach ihrer Nominierung zunächst fürs Wahlvolk so attraktiv erscheinen ließ.

Zaghaft, zögerlich

Anders als die Konkurrenz reiste sie ohne mediale Begleitung in die Flutgebiete, äußerte sich öffentlich zur Katastrophe nur andernorts und sehr zurückhaltend. Einerseits war Baerbocks Bemühen um das richtige Timing und den richtigen Ton auffallend. Andererseits ließ sie so auch jede Menge Chancen aus, darüber zu reden, wie lange die Grünen schon vor den Folgen des Klimawandels warnen. Und sich als die Frau mit den richtigen Plänen für die Zukunft zu präsentieren.

Eine Woche nach der Katastrophennacht diskutiert sie mit Leserinnen und Lesern der "FAZ"-Konkurrenz, der linksliberalen "Frankfurter Rundschau". Dabei redet sie nur kurz über die Flut und weigert sich zudem, konkret das Jahr zu benennen, in dem Deutschland klimaneutral sein soll. Die "Zeit Online", gerne von Grün-Affinen gelesen, titelt prompt: "Angriff ist nicht so ihr Ding".

Schon hundertmal gesagt

Am Montag dann, während der Innenausschuss des Bundestags Innenminister Horst Seehofer (CSU) zur Flutkatastrophe einvernimmt, gibt Baerbock lieber eine Pressekonferenz und redet über "erste Lehren". Unter anderem kündigt sie ein "Klimaschutzsofortprogramm für die ersten 100 Tage" an. Denn die Klimaschutzpolitik sei zu schlecht, "und dafür ist die Bundesregierung verantwortlich". Das und etliches andere klingt zwar nach Wahlkampf – wurde aber auch schon hundertmal gesagt und gehört.

Kampagnen-Fachmann Göbel hatte vor der Flut ein Plakat für die Grünen entworfen. "Do or die" steht darauf, mach's oder stirb. Darunter: "Grün wählen oder das Nichts". Klingt makaber. Und ist etwas, was Baerbock bisher nicht gelingt: eingängig, frech sein. So wird das Lieblingsvorurteil ihrer Gegner aufgezeigt: Die Baerbock habe es einfach nicht drauf. (Cornelie Barthelme aus Berlin, 26.7.2021)