Naht das Ende? Wenn es nach dem Report "Die Grenzen des Wachstums" und einer aktuellen Studie geht, kann es jedenfalls nicht weitergehen wie bisher.

Geht es nach den Zahlen der OECD, dann könnte die Weltwirtschaft nach der bitteren Corona-Zeit in den kommenden Monaten wieder kräftig anziehen. Ein Wachstum von 5,8 Prozent prognostizierte die Industriestaatengemeinschaft zuletzt für die Zeit bis zum Jahresende, und immer noch 4,4 Prozent für das kommende Jahr. Es wäre der stärkste wirtschaftliche Zuwachs seit 1973. Nicht alle wollen darin freilich eine Frohbotschaft erkennen: Eine aktuelle Studie lässt einmal mehr befürchten, dass der eingeschlagene Weg in den Abgrund führt – eine Bestätigung dessen, was schon vor annähernd 50 Jahren der Report "Die Grenzen des Wachstums" vorausgesagt hatte.

"Die Grenzen des Wachstums", erste Auflage, 1972.
Cover: Screenshot

Der 1972 vom Club of Rome in Auftrag gegebene und von der Volkswagenstiftung finanzierte Bericht versuchte eine Prognose der weltwirtschaftlichen Entwicklungen der kommenden Jahrzehnte. In Buchform geriet die Arbeit mit dem Originaltitel "The Limits to Growth. A Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind" zum Bestseller, über 30 Millionen Exemplare wurden davon bis heute verkauft. Angesichts der drastischen Prophezeiungen, zu denen ein Team von Wissenschaftern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, Massachusetts, gekommen war, ist der Erfolg des Werkes keineswegs verwunderlich.

Simulierte Zukunft

Die Kurzversion lautet: Wenn Unternehmen und Regierungen ohne Rücksicht auf die Kosten weiterhin ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum anstreben, ist der Niedergang oder Zusammenbruch der industriellen Zivilisation früher oder später unausweichlich. Im Detail stellten die Forscher mithilfe eines Computermodells namens World3 und auf Grundlage von Daten zu den fünf global wirksamen Tendenzen Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensraum zwölf mögliche Zukunftsszenarien vor.

Die meisten davon führten an einem bestimmten Punkt in der Zukunft zu einer Situation, in der die natürlichen Ressourcen so knapp werden würden, dass weiteres Wirtschaftswachstum nicht mehr möglich sei. Die Folgen wären globaler Wohlstandsverlust und sinkende Bevölkerungszahlen. In einem dieser Szenarien – Business As Usual (BAU) – prognostizierte man beispielsweise, dass das weltweite Wirtschaftswachstum rund um die 2040er-Jahre seinen Höhepunkt erreichen und dann ziemlich rasch einen regelrechten Absturz erleben würde, zusammen mit der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und natürlichen Ressourcen.

Grafik: Das Business-As-Usual-Szenario nach "Limits to Growth: The 30-Year Update".
Grafik: Meadows et al.

Wendepunkt der Geschichte

Das wäre zwar nicht das "Ende der Welt", wie die Autoren um Donella und Dennis Meadows von der System Dynamics Group damals schrieben, aber immerhin doch ein dramatischer gesellschaftlicher Wendepunkt, der den Lebensstandard weltweit für Jahrzehnte deutlich sinken lassen würde. Zwei weitere Szenarien nehmen von Hochtechnologie ermöglichtes vollständiges Recycling bzw. "unbegrenzte Rohstoffvorräte" an. Selbst wenn man dabei eine massiv verringerte Umweltverschmutzung und eine erhöhte landwirtschaftliche Produktivität mitberücksichtigen würde, könnte nach den Modellvorstellung bei weiterem Wachstum des Produktionskapitals der Niedergang letztendlich nicht verhindert werden.

Auch wenn der Report hinsichtlich einiger Grundannahmen und Methoden teilweise heftig kritisiert worden war, kamen in den vergangenen Jahrzehnten Updates mit neuen, genaueren Daten und verbesserten Computermodellen doch zu keinen wesentlich anderen Schlüssen. Die letzte Aktualisierung stammt aus dem Jahr 2012. Fast ein halbes Jahrhundert nach der ersten Veröffentlichung von "Die Grenzen des Wachstums" hat Gaya Herrington, Expertin für Nachhaltigkeit und dynamische Systemanalyse beim Unternehmen KPMG, die Vorhersagen des Berichts von 1972 mithilfe aktuellster Daten erneut analysiert.

Grafik: Das Business-As-Usual-Szenario (BAU2) nach Gaya Herrington.
Grafik: Herrington, 2021

Zwei Szenarien passen ins Bild

Dabei zeigte sich, dass der momentane Zustand der Welt – gemessen an mittlerweile zehn Variablen wie Bevölkerung, Fertilitätsraten, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittel- und Industrieproduktion – die meisten Parallelen zu zwei der 1972 präsentierten Szenarien aufweist: dem aktualisierten Business-As-Usual-Szenario (BAU2), gleichsam dem Worst-Case-Szenario, und dem sogenannten Comprehensive-Technology-Szenario (CT). BAU2, nach Herrington mit doppelt so vielen angenommenen natürlichen Ressourcen, würde nach wie vor sehr bald schon zu einem relativ plötzlichen Zusammenbruch der Industriegesellschaft führen. Bei CT tragen technologische Fortschritte zur Verringerung von Umweltverschmutzung und zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung bei.

Der Schwund der natürlichen Ressourcen spielt aber auch in diesem Outcome eine letztlich fatale Rolle, wie Herrington im "Journal of Industrial Ecology" schreibt. Während das CT-Szenario die globale Bevölkerungzahl und den weltweiten Lebensstandard insgesamt weniger stark erschüttert, führt der zunehmende Mangel an natürlichen Rohstoffen dennoch zu einem Einbruch beim Wirtschaftswachstum, mit all seinen negativen Konsequenzen. "Sowohl das BAU- als auch das CT-Szenario zeigen einen beginnenden Wachstumsstopp in etwa einem Jahrzehnt", meint Herrington, die auch Beraterin des Club of Rome ist. "Beide deuten somit darauf hin, dass ein kontinuierliches Wachstum nicht möglich ist."

Grafik: Das Comprehensive-Technology-Szenario (CT).
Grafik: Herrington, 2021

Die gute Nachricht: Es ist (noch) nicht zu spät

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Beide Möglichkeiten seien zwar laut Herrington "relativ nah an den derzeit beobachteten Zahlen" – in welche Richtung es gehen werde, sei aber noch ziemlich offen. Vor allem aber sei es noch nicht zu spät, BAU und CT gänzlich zu vermeiden – nach wie vor bestehe nämlich die Chance für jenes (zugegeben am wenigsten der aktuellen Datenlage entsprechende) Szenario aus dem 1972er-Report, das die globale Gesellschaft am Abgrund vorbeiführen könnte: dem Szenario der Stabilisierten Welt (SW), bei dem es gelingt, einen ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand zu erreichen und für die Zukunft aufrechtzuerhalten.

Der Beginn des Weges zu diesem Äquilibrium würde im Grunde den BAU- und CT-Szenarien gleichen: Bevölkerung, Umweltverschmutzung und Wirtschaft wachsen, natürliche Rohstoffe schwinden. Der große Unterschied wäre, dass sich Regierungen und Gesellschaften rechtzeitig dazu entschließen, das Wirtschaftswachstum nach eigenen Regeln selbst zu begrenzen, bevor der Ressourcenmangel das Wachstum in einen Absturz verwandelt.

Grafik: Das Stabilized-World-Szenario (SW).
Grafik: Herrington, 2021

Prioritätenänderung

"Das SW-Szenario geht davon aus, dass sich neben den technologischen Lösungen auch die globalen gesellschaftlichen Prioritäten ändern", erklärt Herrington. "Eine solche Änderung der Werte könnte zu einer durchschnittlich geringeren Familiengröße und zu einer allgemein zugänglichen Geburtenkontrolle führen. Das Ziel wäre eine bewusste Entscheidung, die Industrieproduktion zu begrenzen, zugunsten der Förderung von Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen."

Im Verlauf einer solchen Werteverschiebung würden sich Industrie- und Weltbevölkerungswachstum relativ rasch reduzieren, ebenso wie die Umweltverschmutzung. Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln dagegen würde zunehmen. Am Ende könnte der erreichte Gleichgewichtszustand den gesellschaftlichen Niedergang oder gar Zusammenbruch nicht nur aufschieben, sondern vollständig vermeiden. Dieses Szenario mag recht fantastisch klingen – nicht zuletzt, wenn man bedenkt, wie es um die globale Klimaentwicklung steht. Nach Ansicht von Herrington sei jedoch ein bewusster Kurswechsel durchaus möglich. Einige Ökonomen sehen das allerdings anders.

Beispiel Covid-19

Dass die Welt schnell auf eine globale Krise reagieren kann, zeige nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie, so die Wissenschafterin. Warum sollte der Mensch also nicht in ähnlicher Weise mit der Klima- und Umweltproblematik umgehen können? "Die Menschheit kann entweder selbst über ihre Grenzen bestimmen", sagt Herrington, "oder sie wird irgendwann eine natürliche Grenze erreichen, hinter der der Wohlstand der globalen Bevölkerung unweigerlich abstürzen wird." Das Zeitfenster für eine mögliche Weichenstellung schließt sich freilich rasant. Mehr als zehn Jahre dürften wir laut Herrington dafür wohl nicht mehr zur Verfügung haben. (tberg, 27.7.2021)