Die rechtsextreme Identitäre Bewegung baut in Steyregg bei Linz eine neue Basis auf. Die Gemeinde ist damit nicht glücklich und wehrt sich nun mit einem bunten Zeichen: Vor dem neuen Identitären-Stützpunkt wurde ein Schutzweg in den Farben des Regenbogens aufgemalt.

Foto: APA

In der Öffentlichkeit war das Verbot der Symbole der Identitären und ihres Spin-offs "Die Österreicher" durch das Parlament kein großes Thema. Selbst Anhänger der rechtsextremen Gruppierung haben davon nur wenig mitbekommen. Für kommenden Samstag, 31. Juli, mobilisieren die Identitären für eine Demonstration gegen das Verbot ihrer Symbole in der Wiener City. Das Verbot tritt voraussichtlich in den kommenden Tagen in Kraft.

Derzeit sorgen die Identitären in Oberösterreich für Aufregung. Seit vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass sich Identitäre ein Haus in der Ortschaft gekauft haben, kommt Steyregg nicht mehr zur Ruhe. Ob Nachbarn, lokale Politiker und Politikerinnen, der Landeshauptmann oder der Bürgermeister, sie alle wollen die Rechtsextremen wieder loswerden. Allerdings können sie nur wenig gegen die Zugezogenen unternehmen. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat "eine genaue Beobachtung" durch den Verfassungsschutz gefordert. Die Gemeinde überlegt, sich bei behördlichen Genehmigungen querzustellen und hat einen Schutzweg in Regenbogenfarben vor die neue Zentrale der rechtsextremen Bewegung malen lassen.

Anfang Juli demonstrierten Identitäre in Wien gegen die Caritas. Die Kundgebung der Rechtsextremen rief auch eine Gegendemonstration (Bild) auf den Plan.
Foto: Markus Sulzbacher

Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz hat eine parlamentarische Anfrage eingebracht. "Ich will wissen, inwieweit der Innenminister über diese Vorgänge informiert ist", sagt sie zum STANDARD.

Stützpunkt in Wien

Mit dem Haus in Steyregg verfügen die Identitären nun über einen weiteren Stützpunkt, den sie aktiv nutzen, etwa für sportliche Ertüchtigung, Vorträge und andere Events. Zusätzlich sollen Getränke ausgeschenkt und einschlägige Kleidung verkauft werden. In Wien verfügen die Rechtsextremen im fünften Wiener Gemeindebezirk über ein Kellerlokal, das sie als Basis für Aktivitäten und Feiern nutzen. Es ist auch eine Postadresse der sogenannten "Gegenuni", einer selbsternannten rechten Hochschule, die vor wenigen Wochen aus der Taufe gehoben wurde und hauptsächlich (zahlende) Studierende in Deutschland und Österreich ansprechen soll.

In Österreich programmiert, in Deutschland verboten

Das Haus in Oberösterreich ist auch der Firmensitz des Softwareunternehmens Kvltgames, das im vergangenen Jahr mit der Veröffentlichung eines Videogames für Aufregung sorgte. Das als rechtsextrem eingeordnete Spiel wurde von der Spieleplattform Steam entfernt und schließlich von der deutschen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz auf den Index gesetzt. Damit ist es quasi verboten und darf nicht mehr verbreitet werden. In Österreich gibt es keinen Index, aber es besteht die Möglichkeit, "gegen Computerspiele strafrechtlich, etwa bei Verhetzung, vorzugehen", heißt es dazu seitens des Bundeskanzleramts. Die Entfernung von Steam und die Indexierung in Deutschland haben seine Verbreitung tatsächlich eingeschränkt. Derzeit wird in Steyregg an einer weiteren Version des Spiels gearbeitet bzw. versucht, dafür Spenden aufzutreiben.

Antisemitische Codes

Das technisch nicht besonders ansprechend gestaltete Jump-and-Run-Spiel erlaubt einen Einblick in die rechte Gedankenwelt. Bekannte Rechtsextremisten, darunter auch ein bekannter Identitärer aus Wien, treten darin als Spielfiguren gegen ein "Globo Homo"-Regime an. Neben derartigen homophoben Anspielungen finden sich in dem Spiel auch antisemitische Codes. So ist von "Globalisten" die Rede, ein Spielbösewicht hat die Gesichtszüge von George Soros, der in den vergangenen Jahren zum Feindbild von Antisemiten und Rechts-außen-Politikern avanciert ist. "Globalisten" werden von Rechtsextremen als eine Art internationale Elite gesehen, die einen Umsturz und daran anschließend einen großen Neustart, den "Great Reset", plane. Das ist eine klassisch antisemitische Verschwörungserzählung.

In einem Dossier der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ist über den Begriff Globalismus Folgendes zu lesen: "Hinter den unverstanden bleibenden Innovationsschüben der letzten Jahrzehnte steht [...] für völkisch denkende Rechtsextremisten ein alter Feind: 'der' Jude."

Nur Männer

Frauen kommen in dem Spiel lediglich als Spielgegnerinnen vor, die Hauptfiguren sind männlich. Als Gegner taucht auch eine Figur auf, die aussieht wie der Fernsehsatiriker Jan Böhmermann, der ebenfalls zu den Feindbildern von Rechtsextremisten zählt. Ort der Handlung sind vor allem dystopische Großstädte "voller Antifa-Zonen".

Mit dem Spiel stärkten die Rechtsextremen den Personenkult um einzelne Aktivisten und versuchten, einem jungen, vorwiegend männlichen Publikum ihre Propaganda näherzubringen. Ein Ziel der Spielemacher dürfte die reine Provokation gewesen sein, um erstens die Grenzen des Sagbaren weiter auszuloten, zweitens mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und drittens sich als Opfer einer vermeintlichen willkürlichen Medienzensur darzustellen.

Keine neue Entwicklung

Videogames von rechts sind keine neue Entwicklung. Schon in den 1980er-Jahren versuchten Neonazis mit Titeln wie "KZ-Manager" oder "Anti-Türken-Test", ihre Propaganda unter Kindern und Jugendlichen zu verbreiten.

In den USA versuchten in den vergangenen Jahren radikale Fanboys des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, Gamer zu rekrutieren und zu aktivieren. Sie mischten etwa bei #Gamergate mit, einer Hetzkampagne gegen Frauen, die sexistische Darstellungen in Computerspielen anprangerten. Unter dem Schlagwort "Gamergate" wurden die Frauen dabei im Netz bedroht: mit Vergewaltigung, Verstümmelung und Mord. Tatsächlich können Rechtsextremisten mit Frauenhass in ihrer Community punkten. In der Szene tun sich viele offensichtlich schwer damit, auf Distanz zu gehen und sich klar abzugrenzen. Neonazistische Codes, einschlägige Profilbilder und Nutzernamen zählen zum Alltag vieler Spieleplattformen.

Unterstützung aus Deutschland

Die Produktion des Spiels des oberösterreichischen Unternehmens wurde von der deutschen Gruppierung "Ein Prozent" unterstützt. Einer Gruppe, die ein Teil der sogenannten Neuen Rechten ist, die vom deutschen Verfassungsschutz als Netzwerk "geistiger Brandstifter" bezeichnet und daher überwacht wird. Die Neue Rechte befeuere "Gewalt und Radikalisierung", sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang im Juni. "Ein Prozent" nimmt eine Schlüsselstellung in diesem Netzwerk ein. Die Gruppierung ist eine PR-Agentur für rechte Kampagnen, eine Plattform zur Vernetzung sowie ein Crowdfunding-Portal für Aktivisten und Aktivistinnen. Da sie Geld sammelt und verteilt, kann sie den Takt und die Strategie maßgeblich mitbestimmen. Laut dem österreichischen Verfassungsschutz soll "Ein Prozent" den Identitären mindestens 10.000 Euro gespendet haben. Die Gruppe arbeitet mit dem Grazer Freilich-Verlag zusammen, der das "Freilich Magazin" produziert – das Nachfolgeprojekt der berüchtigten Zeitschrift "Aula". (Markus Sulzbacher, 30,7.2021)