Nach neun Tagen Verhandlung sprachen die Geschworenen ihre Urteile über drei Männer und zwei Frauen.

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Wien – Schluchzend berichtet der Drittangeklagte Bernd T. in seinem Schlusswort, was ihn ihm Jahr 2019 dazu bewogen hat, aus Saudi-Arabien zurück nach Österreich zu kommen und sich den Behörden zu stellen. "Mein Sohn ist damals fünf Jahre alt geworden, und es war die Frage, ob er dort oder in Österreich in die Schule gehen soll", erklärt der 32-jährige Steirer dem Geschworenengericht. Er und seine Gattin, die Fünftangeklagte, präferierten das heimische Bildungssystem – die Einschulung ihres Erstgeborenen erlebten sie nicht, da beide in Untersuchungshaft saßen, wie T., wiederum unter Tränen, verrät.

Nach neun Verhandlungstagen endete am Dienstag das Verfahren gegen die drei Männer und zwei Frauen, denen Mitgliedschaft in einer terroristischen Verbindung vorgeworfen wird. Die beiden Ehepaare sollen aus Sicht der Staatsanwaltschaft Graz im Jahr 2013 nach Syrien gereist sein, um sich islamistischen Milizen, darunter dem "Islamischen Staat", anzuschließen, der Erstangeklagte Turpal I. soll als Anführer einer Einheit auch Gräueltaten an Zivilisten befohlen haben. Der Zweitangeklagte soll als radikaler Prediger dazu angestiftet haben.

"Ich habe die letzten zehn Jahre verschwendet"

Vollständig schuldig bekennt sich auch am letzten Tag nur der Drittangeklagte. Er bedankt sich zudem bei allen Beteiligten: den Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, dem Vorsitzenden des Berufsrichtersenats und den Geschworenen. T. nutzt die Gelegenheit auch, seine innere Wandlung zu verdeutlichen: "Ich habe die letzten zehn Jahre verschwendet", bekennt der Konvertit, der mittlerweile mit jedweder Religion nichts mehr an der Kopfbedeckung haben will. Leid tun ihm auch seine Eltern: "Das ganze Elend, das ich meiner Familie beschert habe!", bereut er.

Mit der in manchen Kreisen verbreiteten Vorstellung eines sorgenfreien Lebens hinter Gittern rechnet der Drittangeklagte auch ab: Er habe es nicht leicht in der Haft, da er ja auch gegen Mitangeklagte ausgesagt habe. "Das Übel der Haft ist wirklich wüd!", stellt T. fest, er akzeptiere es aber bereits als Teil seiner Strafe. Als ihn der sehr geduldige Vorsitzende bittet, langsam zum Ende zu kommen, erfüllt T. ihm den Wunsch und bittet die Geschworenen um ein mildes Urteil.

Anders Erstangeklagter I. und sein Verteidiger Florian Kreiner: Sie beide weisen die Vorwürfe des Grazer Anklägers, I. habe unter dem Kampfnamen "Abu Aishe" Kriegsverbrechen angeordnet, vehement zurück. Belastet wurde der Erstangeklagte diesbezüglich nur von einem Zeugen, der im Prozess jedoch primär mit Erinnerungslücken glänzte.

Erstangeklagter beharrt auf Grabsuche

I. versucht in seinem Schlusswort die Laienrichter auch weiter davon zu überzeugen, dass er zwar in Syrien gewesen sei, aber nicht, um Islamisten zu unterstützen. Sondern um das Grab seines bei Kämpfen getöteten Schwagers zu suchen. Er sei damals zwar ein strenggläubiger Moslem gewesen und habe sich auch Vorträge und Predigten des Zweitangeklagten angehört, aber er sei kein Terrorist.

Der angesprochene Prediger gibt dagegen zu, durch seine Worte Menschen zur Reise nach Syrien angestiftet zu haben. "Es tut mir leid. Ich wünschte, jemand hätte mir damals die Hand gereicht", sagt Mirsad O. nun dazu. In der Haft sei das geschehen, sowohl die Vertreter des für Deradikalisierung verurteilter islamistischer Straftäter zuständigen Vereins Derad als auch katholische Seelsorger hätten seine Einstellung gewandelt.

Für konkrete Hinrichtungen sei O. aber nicht verantwortlich, wie auch Verteidiger Leonhard Kregcjk darlegt – es sei absurd zu glauben, ein Kämpfer würde aus Syrien in Wien bei O. anrufen und fragen, was er mit Geiseln machen solle. Da sein Mandant bereits zu 20 Jahren Haft verurteilt worden sei, plädiert der Verteidiger für einen Schuldspruch ohne Strafe als Zusatzstrafe.

Der Hauptangeklagte Turpal I. wurde von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, in Syrien Gräueltaten begangen zu haben, freigesprochen. Allerdings sind er und der zweite Syrien-Kämpfer schuldig, Mitglied einer terroristischen Vereinigung (Paragraf 278b StGB) und einer kriminellen Organisation (278a StGB) gewesen zu sein.

Der frühere Prediger Mirsad O. wurde als Bestimmungstäter – teilweise blieb es beim Versuch – zu terroristischen Straftaten (Paragraf 278c StGB) verurteilt, weil er die beiden Erstangeklagten und einen weiteren Mann dazu gebracht hat, sich dem IS anzuschließen und nach Syrien in den Kampf zu ziehen. Aufgrund seines bereits rechtskräftigen Urteils wurde von einer Zusatzstrafe abgesehen. Zudem wurde ein Syrien-Kämpfer – ein gebürtiger Steirer – vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Die Urteile, die sich auf den Wahrspruch der Geschworenen begründen, sind nicht rechtskräftig.(Michael Möseneder, 27.7.2021)