Moritz Zimmermann (Moritz Mundt mit Lena Klenke) hat ein Problem. Oder mehrere.

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Maximilian Schmidt hat zwischen 2013 und 2015 rund 900 Kilo Drogen über seinen Online-Versandhandel verkauft.

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Moritz Zimmermann (Maximilian Mundt) hat ein Problem: Haselnusssträucher. Auf die reagiert der Schüler allergisch, was die Klassenfahrt eindeutig unlustiger macht. Moritz hat aber noch ein Problem. 24 Stunden und zehn Minuten hat er noch Zeit für den Relaunch von My Drugs, jener Plattform, auf der er Drogen im inzwischen großen Stil verkauft und worauf sich einige großzügige Kapitalgeber schon sehr freuen, was wiederum den Druck auf Moritz ziemlich erhöht. Vor allem, wenn die Datenübertragung nicht klappt.

Netflix

"Breaking Bad" auf jung, lustig und deutsch, so könnte man die Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" bezeichnen, die seit kurzem in die dritte Staffel ging und erneut eine liebenswerte Hetz geworden ist. Das liegt vor allem am gelungenen Konzept: Permanent prallen hier die Gegensätze aufeinander: Burschen – Mädels, Teenager – Lehrer – Eltern, unschuldige Jugendliche – schwere Drogenkerle – eiskalte Geschäftsleute: Andauernd stoßen hier einander ausschließende Lebenswelten zusammen. Das ist wie Autodrom-Fahren: Man möchte nicht dabei sein, aber von außen zuzuschauen macht Spaß.

Das Drehbuch der neuen sechs Folgen schrieb wieder Philipp Käßbohrer, Regie führte Arne Feldhusen, im Fach des Schräg-Komischen erfahren mit "Stromberg", "Der Tatortreiniger" und "Mord mit Aussicht". Hergestellt wird die Serie von der Kölner Produktionsfirma "Bildundtonfabrik", Heimat von Jan Böhmermanns "Neo Magazin Royale".

"Shiny Flakes"

Viel Spaß an der Sache hatte auch Maximilian Schmidt, der "echte" Druglord hinter der Serie, die auf wahren Tatsachen beruht. Wie überlegt und skrupellos der heute 26-jährige Leipziger vorging, zeigt die Dokumentation "Shiny Flakes – The Teenage Druglord", ab 3. August ebenfalls auf Netflix.

Von seinem Kinderzimmer aus baute Maximilian Schmidt ein Drogenimperium, das lange Zeit wie geschmiert funktionierte und von wo aus er insgesamt mehr als sagenhafte 900 Kilo Drogen vercheckte. "Ich hatte alles", sagt Schmidt, der in der Doku ausführlich zu Wort kommt. In der Tat: Kokain, Meth, Speed, Marihuana, LSD, Haschisch, Ecstasy-Tabletten und Amphetamine konnte man bei "Shiny Flakes" wie über Zalando oder Amazon bestellen – zum Warenkorb hinzufügen, danke für Ihre Bestellung. Haben Sie Fragen? Dann bitte lesen Sie sich unser FAQ durch. "Bei mir gab's nur mich", sagt Schmidt. Der Versand erfolgte weltweit, bezahlt wurde mit Bitcoin.

Die Eltern merkten nichts

Die Drogen lässt er sich schicken. Den Vertrieb übernimmt er selbst, ein Knochenjob, wie sich herausstellt: Ware zerteilen, portionieren, abpacken, mit der Post versenden. Innerhalb kürzester Zeit gehen täglich bis zu 40 Bestellungen ein, und laufend werden es mehr. Schmidts Eltern wohnen die ganze Zeit im selben Haus. Zum Kinderzimmer haben sie keinen Zugang. Sie merken nichts.

Der Sohn wickelt seine Geschäfte immer mehr wie ein Profi ab. Sein Markenzeichen sind Gummibärchen, die er als Geschenk zum Päckchen legt. "Ein weiterer positiver Aspekt im Kundenservice", sagt Schmidt und grinst. Überhaupt lacht er oft in den Interviews. Nein, ein schlechtes Gewissen habe er nie gehabt: "Weil für mich die logische Argumentation war: Wenn nicht von mir, dann von wem anders."

Nach Feierabend zum Drogengeschäft

Nach dem Schulabschluss arbeitet Schmidt in einem italienischen Restaurant, die perfekte Tarnung. Tagsüber serviert er Pizza und Pasta, nach Feierabend setzt er sich an seinen Schreibtisch und widmet sich dem Drogengeschäft. Das ihn zunehmend fordert. Die Nachfrage steigt und steigt, 150 Bestellungen pro Tag, seien es gewesen. Schmidt kommt mit dem Verpacken nicht mehr nach, schläft nur noch drei, vier Stunden. "Es war wie in einem Hamsterrad."

Am 26. Februar 2015 schlägt die Polizei zu und stellt mehr als 300 Kilogramm Drogen im Wert von vier Millionen Euro sowie 48.000 Euro Bargeld sicher. Bei der Durchsuchung des Zimmers werden später außerdem 325.000 Euro Bitcoins gefunden. Schmidt fasst sieben Jahre Gefängnis aus. Als er seine Zelle betritt, habe ihn "ein Gefühl der Ruhe und Entspanntheit" ergriffen: Endlich konnte er abschalten.

Dauergast bei hunderten Folgeprozessen

Folgen hatte die Verhaftung auch für die Abnehmer von "Shiny". Die Kriminalbeamten finden Schmidts Passwort und stellen Listen mit mehr als 13.000 Datensätzen mit Namen, Anschriften, Bestellungen sicher. In den nächsten vier Jahren ist Schmidt Dauergast bei hunderten Folgeprozessen gegen die Kunden. Im Juni 2020 wird er vorzeitig entlassen. Irgendwie wirkt er immer noch stolz. Sollte es jemals so etwas wie Schuldbewusstsein oder Reue gegeben haben, dann versteckt es der junge Mann in den Gesprächen mit der WDR-Journalistin Eva Müller.

Wie wird ein ganz normaler Schüler zu einem Drogendealer, wie wurde Max Schmidt zum Druglord? Die Assoziation mit der Serie "Breaking Bad" ist naheliegend. Walter White war braver Chemielehrer und überschwemmte den Markt mit tödlichem Crystal Meth, aber Walter war auch in Not. Drogenproduzent wurde er, weil er aufgrund tödlicher Krankheit seine Familie versorgt wissen wollte. Dergleichen soziales Bewusstsein spielte bei Maximilian Schmidt nie eine Rolle. Es ging ihm nicht mal ums Geld: "Der größte Spaß war, einfach zu sehen, wie es wächst." (Doris Priesching, 30.7.2021)