Sebastian Kurz hat seinen Willen bekommen. Er wird nun von einem Richter / einer Richterin in Sachen "Falschaussage vor dem U-Ausschuss" einvernommen, nicht von den verhassten Staatsanwälten der WKStA. Ob ihm das letztlich etwas bringt, ist unklar, aber er (und seine Anwälte) haben es ganz massiv so gewollt. Justizministerin Alma Zadić hat diesem Willen entsprochen.

Wahrscheinlich bedeutsamer für die politische und demokratische Entwicklung im Lande ist die Frage, ob Bundeskanzler Kurz seinen Willen beim ORF bekommt. Am 10. August stimmt der Stiftungsrat (offen) über den neuen Generaldirektor ab, Türkis hat eine formale Mehrheit und einen Kandidaten, den (parteibuchlosen) Roland Weißmann, einen aus der ORF-Hierarchie.

Es sind allerdings schon ORF-Wahlen ganz anders ausgegangen, als die herrschenden Kräfte es wollten. 1978 titelte die Kärntner Tageszeitung "Kreisky in Paris, Benya in Sofia, Bacher im ORF". 2006 kippte eine Überraschungskoalition aus SPÖ, BZÖ, FPÖ und Grünen, im Hintergrund maßgeblich befeuert durch kritische Journalisten des ORF (Armin Wolf) und einige liberale Opinionleader, die von Kanzler Wolfgang Schüssel gestützte ORF-Chefin Monika Lindner und ihren Exekutor-Chefredakteur Werner Mück. Alexander Wrabetz wurde Chef und blieb es bis heute.

Ob Kurz beim ORF seinen Willen bekommt ist entscheidend für die politische und demokratische Entwicklung im Land.
Foto: imago images/SEPA.Media

Die Herrschenden haben den ORF immer zu dominieren versucht. Das bedeutet nicht, dass dies auch immer gelang. Manche Kanzler waren liberaler, manche ORF-Chefs kompetenter und geschickter, die Redaktion oft widerständig.

Diesmal ist es anders, weil für die Türkisen oder Kurz die absolute Beherrschung der Medienszene ein ganz zentraler Punkt ihrer Machtausübung ist. Im Grunde darf es niemand geben, der nicht im Griff ist. Und der ORF steht da ganz oben auf der Liste.

Starke Persönlichkeiten

Ein Kreisky oder Vranitzky oder auch Schüssel waren so starke Persönlichkeiten, dass sie keinen riesigen medialen Beeinflussungs- und Kontrollapparat brauchten, um ihre Botschaft rüberzubringen. Kurz ist selbst ein unermüdlicher und im Gespräch durchaus interessanter Beeinflusser, aber das genügt ihm nicht. Es soll möglichst keinen Moment geben, der nicht geskriptet ist; und dazu dienen die Kohorten von Mediensoldaten und die oft mehr als ruppigen Medienfeldwebel im Kanzleramt.

Wenn Kurz könnte, wie er wollte, wäre er im Bereich der öffentlichen Meinung totalitär. Wenn er im ORF seinen Mann durchbringt, ist zwar immer noch nicht alles gelaufen. Der Kandidat, Roland Weißmann, Chefproducer im TV, muss nicht unbedingt ein Befehlsempfänger sein. Die ORF-Redaktion ist – trotz Einbrüchen von akuter Türkisitis – immer selbstbewusst und widerstandsbereit. Aber an den Absichten von Türkis, sich mit dem ORF einen ganz wichtigen Teil der Medienlandschaft untertan zu machen, gibt es kaum Zweifel.

Dazu kommt, dass der von Wrabetz installierte zentrale Newsroom für alle ORF-Sende-Outlets zumindest strukturell die Möglichkeit zu einem gefährlichen Zentralismus bietet. Ohne irgendeinen der Kandidaten (siehe Seite 29) vorab abwerten zu wollen: Die Gefahr einer Orbánisierung des ORF und damit Österreichs ist real. (Hans Rauscher, 28.7.2021)