Blick durch die Versuchsanlage in einem Labor des Atominstituts der TU Wien.

Foto: TU Wien

Gleichsam die Quantenversion eines herkömmlichen Kühlschranks hat nun eine Gruppe um Wiener Physiker präsentiert. Dabei wird ein Teil eines speziellen Quantensystems sozusagen zum Kühlmittel umfunktioniert, wie die Wissenschafter im Fachmagazin "Physical Review X-Quantum" berichten. Diese neue Art des Kühlens im Extrembereich könnte in Zukunft bei Experimenten zur Anwendung kommen, wo andere Methoden zu Temperatursenkung keinen Effekt mehr zeitigen.

Unter minus 273 Grad Celsius

Nach neuen Methoden zur Kühlung lechzt zur Zeit nicht nur die hochsommerlich geplagte Bevölkerung, auch im Bereich der Forschung besteht Bedarf an innovativen Herangehensweisen, da sich manche physikalischen Phänomene nur bei extrem niedrigen Temperaturen untersuchen lassen. In Zusammenarbeit mit Kollegen von der Freien Universität Berlin, der Nanyang Technological University in Singapur und der Universität Lissabon gehen Physiker vom Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien Ideen nach, wie Wolken aus ultrakalten Atomen nahe dem absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad Celsius noch weiter Wärme entzogen werden kann.

Das Team um Marcus Huber und Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU konzentrierten sich auf einen exotischen Materiezustand bei extrem niedrigen Temperaturen, dem Bose-Einstein-Kondensat (BEC). Beim BEC handelt es sich um Atomwolken, die sich wie ein einzelnes Quantenobjekt verhalten. "Wir haben in den letzten Jahren viel Erfahrung damit gesammelt, solche Kondensate sehr präzise mit Hilfe von elektromagnetischen Feldern und Laserstrahlen zu steuern und zu manipulieren und dabei einige der grundlegenden Phänomene im Grenzbereich von Quantenphysik und Thermodynamik untersucht. Der logische nächste Schritt war dann die Quanten-Wärmemaschine", so Schmiedmayer.

Eine Art Kühlflüssigkeit

Die Wissenschafter orientierten sich am System des klassischen Kühlschranks: Einem zu kühlenden Innenraum Wärme entzogen, indem Kühlmittel verdampft wird. Wird das Mittel dann wieder verflüssigt, wird die Wärme nach außen abgegeben. Auch im neuen Quantenaufbau gibt es ein Innen, ein Außen und eine Art Kühlflüssigkeit.

Dazu wird ein Bose-Einstein-Kondensat in drei Teile geteilt, die zunächst mit derselben, bereits sehr tiefen Temperatur starten. "Wenn man diese Teilsysteme auf genau die richtige Weise koppelt und wieder voneinander trennt, kann man erreichen, dass der Teil in der Mitte quasi als Kolben agiert und Wärmeenergie von einer Seite auf die andere wandern lässt. Dadurch hat dann am Ende eines der drei Teilsysteme eine niedrigere Temperatur als am Anfang", so Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien.

Dazu lassen die Physiker die wenige vorhandene Restenergie in Form von "Anregungen des Quantenfelds" möglichst gezielt in die gewünschte Richtung wandern. "Diese Anregungen übernehmen bei uns die Rolle des Kühlmittels", das dafür sorgt, dass es auf einer Seite noch kälter wird, so Huber.

Von der Theorie zur Umsetzung

Bisher ist dieser Quantenkühlschrank nur ein theoretisches Konzept – doch in Experimenten wurde bereits gezeigt, dass die nötigen Schritte machbar sind. "Nachdem wir nun wissen, dass die Idee grundsätzlich funktioniert, werden wir versuchen, das im Labor umzusetzen", sagt TU-Forscher Joao Sabino. "Wir hoffen, dass uns das in naher Zukunft gelingt."

Es wäre ein spektakulärer Schritt nach vorne in der Tieftemperaturphysik – denn egal, mit welchen anderen Methoden man extrem tiefe Temperaturen erreicht, den neuartigen ,Quantenkühlschrank‘ könnte man am Ende immer noch als finale Zusatz-Kühlstufe hinzufügen, um einen Teil des ultrakalten Systems noch ein bisschen kälter zu machen. "Falls es mit kalten Atomen funktioniert, dann können unsere Ideen in vielen anderen Quantensystemen umgesetzt werden und zu neuen Quantentechnologie Anwendungen führen", sagt Jörg Schmiedmayer. (red, APA, 28.7.2021)