So überraschend das neue Sicherheitsgesetz in Hongkong vor rund 13 Monaten daherkam, so vorhersehbar war nun das erste Urteil, das auf dieser Basis gefällt wurde. Tong Ying-kit, 24-jähriger Kellner aus Hongkong, wurde am Dienstag vom Hongkonger Gericht wegen Terrorismus und Anstiftung zur Sezession schuldig befunden. Was sich Tong zuschulden kommen hat lassen? Vor mehr als einem Jahr, am 1. Juli und damit genau einen Tag, nachdem das Gesetz in Kraft getreten war, hat der junge Hongkonger an Massenprotesten in der Stadt teilgenommen. Mit einem Motorrad hat er dabei drei Polizisten gerammt und verletzt.

Dass ein Mensch nach solchen Vorkommnissen vor Gericht kommt und aufgrund von Beweisen – das Geschehen wurde auf mehreren Videos dokumentiert – verurteilt wird, ist nachvollziehbar. Doch in Tongs Fall behandelte das Gericht den Vorwurf des gefährlichen Fahrens mit Körperverletzung gar nicht. Zum Verhängnis wurde dem Hongkonger stattdessen die Flagge, die auf seinem Motorrad befestigt war. Auf ihr war die Forderung zu lesen, Hongkong zu "befreien". Das Gericht folgte der Lesart Pekings und auch der Hongkonger Regierung: ein schweres Vergehen gegen den Staat.

Tong Ying-kit wurde nicht die Körperverletzung von drei Polizisten zum Verhängnis, sondern die Flagge, die auf seinem Motorrad befestigt war.
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Dieser Fokus der Richter und Richterinnen offenbart von Neuem, welch neuer Wind in der chinesischen Sonderverwaltungszone mit dem neuen Gesetz weht. Wenn ein Slogan zur lebenslangen Haft (das ist das höchstmögliche Strafmaß) führen kann, dann ist es wohl um die Meinungsfreiheit geschehen. Wie in den vergangenen Monaten schon öfter demonstriert, geht es auch in diesem Fall darum, die Demokratiebewegung zu zerschlagen, und zwar mit voller Härte. Das Urteil ist, so muss man leider sagen, nach allem, was im vergangenen Jahr passiert ist, keine Überraschung.

Diesmal ist ein 24-jähriger Mann ins Fadenkreuz geraten, einer von Millionen von Menschen, die von 2019 bis 2020 auf den Straßen ihrem Unmut freien Lauf ließen. Er trug einen Slogan, der hunderte, tausende, ja wohl zehntausende Male auf Tassen, T-Shirts, Wänden oder im Internet zu lesen war. Er muss nun als Exempel für Pekings Knüppelkurs in Hongkong herhalten. Es wäre schön, wenn das Gericht – dessen Richter übrigens von der pekingtreuen Regierungschefin Carrie Lam bestellt wurden – in den nächsten Wochen endlich für eine Überraschung sorgen könnte: indem es zumindest beim Strafmaß dem jungen Hongkonger gegenüber Milde walten lässt. (Anna Sawerthal, 27.7.2021)