Es hatte bereits den Anschein, als würde man langsam wieder in die Zeit vor der Pandemie zurückkehren, allerdings werden die Reisemöglichkeiten mit dem Auftreten neuer Varianten des Sars-CoV2-Virus weiterhin beschränkt bleiben. Für Physikerinnen und Physiker mit akademischer Laufbahn bedeutet dies, dass der Besuch einer Konferenz auch dieses Jahr kaum möglich sein wird. Statt an einen schönen Ort im In- oder Ausland zu reisen, wo man nicht nur die neuesten Ergebnisse der eigenen Forschung mit Kolleginnen und Kollegen austauscht, sondern sich auch gut vernetzen und neue Kontakte knüpfen kann, wird man wieder eine Woche vor dem Rechner sitzen und sich die wissenschaftlichen Vorträge online anschauen müssen.

Eine Physikkonferenz

Doch wie kann man sich so eine Physikkonferenz eigentlich vorstellen? Nun, die Organisatoren bemühen sich oft, die schönsten Urlaubsressorts als Austragungsorte für die großen Konferenzen zu reservieren, zum Beispiel die Insel Jeju in Südkorea, das Laforet Shuzenji Ressort in Japan oder das Marriot Casa Magna in Cancun in Mexiko.

Ziel einer Physikkonferenz ist der wissenschaftliche Austausch internationaler Arbeitsgruppen und die Erschließung neuer Kontakte für zukünftige Kollaborationen, Forschungsaufenthalte oder Arbeitsstellen. Das Format besteht normalerweise aus Plenarvorträgen, Oral Sessions und Poster Sessions. Erstere sind an das Gesamtpublikum gerichtet, behandeln aktuelle Forschungsgebiete und werden in der Regel von herausragenden Expertinnen und Experten auf dem jeweiligen Gebiet abgehalten.

Während der Internationalen Nitrid Konferenz 2009 in Jeju, Südkorea.
Foto: A. Navarro-Quezada

Weiters gibt es mehrere mündliche Vortragssitzungen (Oral Sessions), bei denen Kurzvorträge zu bestimmten Themen mit einer Dauer von maximal zehn Minuten gehalten werden. Für das Einhalten der Zeit ist eine Chair Person zuständig, die den Vortragenden oder die Vortragende rechtzeitig an das Auslaufen der Vortragszeit erinnert. Manche Chair Persons sind dabei nicht wirklich strikt, was die Sitzung dann bisweilen unendlich erscheinen lässt. Zusätzlich hat man als Zuhörer oder Zuhörerin die Möglichkeit, Fragen an die Vortragende oder den Vortragenden zu stellen, wobei die Chair Person hier ebenfalls die Diskussion leitet.

Zuletzt gibt es noch Poster Sessions, bei welchen die meist jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zumeist noch Studierende, ihre Ergebnisse auf einem großformatigen Poster präsentieren und dort auch gleich für Fragen persönlich zur Verfügung stehen. Die Poster werden in einem großen Saal ausgestellt und es wird auch für das leibliche Wohl gesorgt, was eine lockerere Atmosphäre als bei einem Vortrag erzeugt. So kommen bei ein oder zwei Bier die interessantesten physikalischen Diskussionen zustande.

Physikkonferenzen damals und heute

Die erste Physikkonferenz der Geschichte war die sogenannte Solvay-Konferenz und sie fand 1911 in Brüssel statt. Benannt ist die Tagung nach dem Großindustriellen, der sie gesponsert hatte, und sie findet regelmäßig in einem Abstand von ungefähr drei Jahren statt. Die Idee, eine internationale Zusammenkunft von erstklassigen Physikerinnen und Physikern zu organisieren, um die fundamentalen Probleme der gegenwärtigen Physik zu diskutieren, stammt von Walther Nernst und Max Planck .Die Teilnehmerzahl bei der Solvay-Konferenz ist begrenzt und das Thema richtet sich nach den aktuellen "Hot Topics" der Physik. Die letzte Solvay-Konferenz von 2018 beschäftigte sich mit der Physik der lebendigen Materie: Raum, Zeit und Information in der Biologie.

Physik Konferenzen damals und heute.
Foto: B. Coupré/Qmag

Das legendäre Bild oben zeigt die Teilnehmenden der fünften Solvay-Konferenz, bei der Madame Curie (dritte unten von links nach rechts) die einzige Physikerin war. Heute hat sich dies zum Glück geändert, was auf dem unteren Farbbild deutlich zu sehen ist. Es entstand 2018 während der internationalen Konferenz PASPS (Physics and Applications of Spin Phenomena in Solids) in Linz.

Die meisten Physikkonferenzen, die in den letzten zwei Jahren geplant waren, wurden entweder abgesagt, verschoben oder fanden online statt. Dass das Onlineformat in Zeiten wie diesen hoch im Trend liegt, ist nicht nur der Pandemie, sondern auch der Nachhaltigkeit geschuldet. Denn oft wird darüber diskutiert, wie sinnvoll es sei, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Welt reisen, um manchmal für nur wenige Stunden im Veranstaltungsland zu bleiben und ihre Ergebnisse zu präsentieren, die ohnehin in internationalen Zeitschriften veröffentlicht werden.

Physikerinnen und Physiker bei einer Kaffeepause während der PASPS 2018.
Foto: Qmag

Obwohl die Nachhaltigkeit von großer Bedeutung ist, wird eine Onlinekonferenz die Erfahrungen und Begegnungen während einer Präsenzkonferenz nie ersetzen können. Die Möglichkeiten des Netzwerkens und des wissenschaftlichen Austauschs gehen bei diesem Format komplett verloren. Wenn alles gutgeht, verzögern sich die Vorträge nicht, die Vortragenden und Chair Persons kennen sich mit dem Onlinetool gut aus und es gibt keine Unterbrechungen. Im virtuellen Format kann ein Vortrag aus dem Büro oder von zu Hause übertragen oder vor der Konferenz aufgenommen werden. Bei der letzteren Variante sind allerdings keine Fragen während der Session möglich.

Auch wenn die Aufmerksamkeit bei nicht-virtuellen Konferenzen oft aus verschiedenen Gründen abgelenkt war, war man durch die Echtzeitatmosphäre dazu gezwungen, früher oder später aufzupassen. Zusätzlich fanden in den Kaffeepausen zwischen den verschiedenen Sessions die sehr interessante Diskussionen statt. Jetzt sitzt man alleine mit einer Tasse Kaffee vor dem Rechner, und das oft mitten in der Nacht, da die Konferenz auf einem anderen Kontinent, beziehungsweise einer anderen Zeitzone stattfindet.

Online-Messzeiten

Aber nicht nur Konferenzen sondern auch Messzeiten (Laborbesuche im Ausland) finden seit Ausbruch der Pandemie online statt. Wir haben im April 2019 über eine Messzeit am französischen Synchrotron SOLEIL berichtet. Dieses Jahr hätten wir wieder die Gelegenheit gehabt hinzufahren, doch wegen der Reisebeschränkungen war dies nicht möglich.

Die Vorbereitungsphase für eine Online-Messzeit ist kaum anders als würde man zur Beamline reisen: die Proben müssen charakterisiert, ausgewertet, verpackt und verschickt werden. Leider ist es hier dann auch schon vorbei mit den Hands-on-Tätigkeiten. Für uns hieß es danach, viele E-Mails auszutauschen, um den genauen Messverlauf zu klären und Informationen mit dem in Frankreich zuständigen Wissenschaftler (Beamline Scientist) auszutauschen. Wir hatten das Glück, dass dieser selbst vor Ort sein konnte und daher alle Messungen ohne gröbere Probleme stattgefunden haben. Für uns hieß es währenddessen, vor dem Rechner auf E-Mails mit dringenden Anfragen zu warten.

Eine online-Messzeit kann aber auch manche Vorteile haben, wie uns eine Kollegin, die in die Schweiz hätte fahren sollen, erzählt hat. Neben der Vorcharakterisierung der Proben und dem rechtzeitigen Versand gab es vorab noch ein kurzes Zoom-Meeting mit dem Beamline Scientist, um den Remote-Zugriff auf die Anlage und die letzten Details zu klären. Während der Messzeit war der Ablauf dann recht ähnlich als wäre sie vor Ort anwesend, da sie statt vom PC an der Beamline von jenem an der Uni aus remote auf die Anlage zugreifen und Messungen steuern konnte. Sie war währenddessen im ständigen Austausch mit dem Beamline Scientist, der vor Ort den Probenwechsel durchführte. Dadurch war sie zwar weniger flexibel, was den Messablauf anbelangte, konnte aber zu einer normalen Tageszeit schlafen gehen und die Messungen über Nacht über ein Programm weiterlaufen lassen. Sie konnte auch gleich am Tag nach Ende der Messzeit mit der Auswertung der Daten beginnen, wo sie andernfalls normalerweise erst auf der Rückreise gewesen wäre.

All diese Remote- und Onlinelösungen werden auf Dauer jedoch etwas mühsam, daher werden sich Physikerinnen und Physiker hoffentlich bald wieder in einer warmen Sommernacht mit einem Glass Wein gemütlich mit Kolleginnen und Kollegen bei einer Konferenz zusammensetzen können, um über Nachhaltigkeit in der Wissenschaft und interessante Forschungsergebnisse zu diskutieren. (Anna Spindlberger, 3.8.2021)

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