Die gewaltige Explosion im Chempark Leverkusen soll am Dienstag in gut zehn Kilometer Entfernung hörbar gewesen sein.

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Leverkusen – Einen Tag nach der schweren Explosion im Chemiepark Leverkusen gibt es kaum noch Hoffnung auf weitere Überlebende. "Wir müssen leider davon ausgehen, dass wir die fünf Vermissten nicht mehr lebend finden", sagte der Chef der Chempark-Betreiberfirma Currenta, Frank Hyldmar, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Dabei handele es sich um vier Mitarbeiter von Currenta und um einen Beschäftigten einer externen Firma. Die Werksfeuerwehr berichtete, dass bei der Suche auch Drohnen eingesetzt werden. Nach dem Unglück waren zunächst zwei Menschen tot geborgen worden. 31 Menschen wurden verletzt.

Die Polizei will am Donnerstag mit Untersuchungen am Unglücksort beginnen. Geplant sei eine erste Begehung zusammen mit einem Sachverständigen und Verantwortlichen des betroffenen Leverkusener Chemparks, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Aktuell stehe noch die Suche nach vermissten Mitarbeitern im Vordergrund.

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Dioxin-Verbindungen in Wolke

Die Stadt hielt unterdessen ihre Bürger wegen niedergegangenen Rußpartikeln weiterhin zur Vorsicht an. Nach Angaben der Stadt waren nach der Detonation und der anschließenden Rauchwolke "cent- bis eurogroße Partikel" mit einer öligen Konsistenz registriert worden.

Nach Informationen des nordrhein-westfälische Landesumweltamts (Lanuv) waren in den betroffenen Tanks unter anderem auch chlorierte Lösungsmittel gelagert. "Daher gehen wir derzeit davon aus, dass über die Rauchwolke Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen in die umliegenden Wohngebiete getragen wurden", hieß es. In welcher Konzentration dies tatsächlich geschehen sei, werde aber aktuell noch untersucht. Die Untersuchungen seien recht aufwendig. Daher bleiben auch weiterhin die Spielplätze in nahe am Explosionsort gelegenen Stadtteilen gesperrt, wie eine Stadtsprecherin sagte. Fenster könnten aber wieder geöffnet werden.

Kaum noch Hoffnung

Bereits zuvor hatte der Leiter des betroffenen Chemparks kaum Hoffnung geäußert, die noch vermissten fünf Mitarbeiter zu finden. "Die Hoffnung auf ein Finden der noch vermissten Personen schwindet bei mir persönlich", sagte Lars Friedrich in einem am Mittwoch auf Twitter veröffentlichten Video. Über Nacht seien Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen worden.

Die gewaltige Explosion, die Zeugen zufolge im Umkreis von gut zehn Kilometern zu hören war, ereignete sich nach Angaben des Betreibers im Tanklager des Entsorgungszentrums Bürrig. Die Ursache war zunächst unklar. Eine gewaltige Rauchwolke stieg auf. Die Erschütterung war derart heftig, dass sogar mehrere Stationen des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen sie maßen. Unter anderem wurde sie an einer Station in rund 40 Kilometer Entfernung registriert.

Schadensausmaß und Ursache noch unklar

Nach der Explosion brannte das Tanklager mit Lösungsmitteln stundenlang, ehe das Feuer am Mittag unter Kontrolle und weitgehend gelöscht war. "Die Löscharbeiten mussten warten, bis eine Stromleitung vom Netz getrennt war", erklärte die Stadt. Sogar die Feuerwehr im rund 60 Kilometer entfernten Dortmund warnte vor möglichen Geruchsbelästigungen.

Die Suche nach Vermissten dauert noch an.

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) bestand bei einem zweiten Tank Explosionsgefahr. Der Tank habe 100.000 Liter hochentzündliche, giftige Abfallstoffe enthalten, sagte Reul. Die Feuerwehr habe die Gefahr aber bannen können. Nach Reuls Angaben waren allein 300 Feuerwehrleute im Einsatz.

Anrainer waren aufgefordert worden, geschlossene Räume aufzusuchen sowie Fenster und Türen geschlossen zu halten. Erst am Nachmittag hob Leverkusen die Warnung für die meisten Stadtteile wieder auf. Wegen des möglichen Schadstoffausstoßes wurden Anrainer zudem vor dem Verzehr von Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten gewarnt. "Bitte keinen Ruß mit in die Wohnung tragen, das heißt die Schuhe ausziehen und vor der Haustür lassen", hieß es in einem Aufruf der Stadt.

Der Chempark ist nach Unternehmensangaben einer der größten Chemieparks Europas. An den drei Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen sind über 70 Firmen angesiedelt. (APA, Reuters, 28.7.2021)