Mehr ist mehr: Anna von Dänemark, frühes 17. Jahrhundert.

KHM-Museumsverband

Sind um den Hals gelegte Ungetüme aus Nadelspitze und Leinen dazu angetan, ihren Trägern mehr Würde zu verleihen? Die einen sagten so, die anderen so. Über die grotesk großen Halskrausen nach spanischer Façon wurde schon im 16. Jahrhundert ausgiebig gespottet. Dass die Stoffe mit den Grundnahrungsmitteln des einfachen Volkes wie Weizen- und Kartoffelstärke in Form gebracht wurden, dürfte die satirischen Seitenhiebe auf die modischen Eskapaden des Adels befeuert haben.

Im 17. Jahrhundert kamen die Kragen aber aus der Mode – das mag zumindest den Damen und Herren der feinen Gesellschaft ein wenig Erleichterung verschafft haben, für die Hofmaler machte es die Sache aber nicht unbedingt leichter. Denn das immer üppigere Dekor, die ganzen Schleifen, Rüschen und Volants, die ausladenden Reifröcke und Rheingrafenhosen, die von Versailles aus an die europäischen Fürstenhöfe exportiert wurden, wollten mit ebenso viel malerischer Raffinesse dargestellt werden wie zuvor die Halskrausen und Heerpauken.

Wo schimmern Atlas und Seide also am schönsten? Wo wirkt der Faltenwurf am natürlichsten? Wo lässt sich die Beschaffenheit von Samt und Seide regelrecht fühlen? Man kann sich in diese Fragen lange vertiefen, staunt über die fadengetreue Wiedergabe der Stoffe auf einem Porträt von Erzherzogin Maria Magdalena des flämischen Malers Frans Pourbus d. J., begegnet Anthony van Dycks locker fließendem Pinselstrich vor einem Bildnis König Karls I., den sich auflösenden Konturen in Diego Velázquez’ Porträt von Maria Anna von Österreich.

Betonte Schamkapsel

Das Thema der aktuellen Schau im Innsbrucker Schloss Ambras ist bestens geeignet, um den Blick auf die Malkunst zu lenken, ausgewählte Gemälde aus der hier verwahrten Habsburger Porträtgalerie, aber auch solche aus dem Wiener "Mutterschiff" KHM und anderen Häusern haben diesbezüglich einiges zu bieten. Es geht in Mode schauen. Fürstliche Garderobe vom 16. bis 18. Jahrhundert aber vor allem auch um das, was Mode bereits in der Renaissance zu vermitteln imstande war, nämlich Stärke, Macht und politische Hegemonien. Nicht zufällig dominierte im 16. Jahrhundert die strenge spanische Garderobe – Frankreichs Aufstieg zur Modenation Nummer eins ging im 17. Jahrhundert mit dessen wachsendem politischem Gewicht einher.

Und auch wenn schon die ausladenden Röcke die Bildfläche zu sprengen drohten: Für herrschaftliche Insignien musste dennoch Platz sein, ansonsten galten die Porträtierten quasi als nackt. Diese Erfahrung machte ausgerechnet die für ihre Prunksucht berüchtigte Marie-Antoinette, als sie sich von ihrer Hofmalerin Élisabeth Vigée-Lebrun im leichten Baumwollhemdchen porträtieren ließ. Die "chemise à la reine" löste im Frankreich der frühen 1780er-Jahre zwar einen Modetrend aus, das Porträt aber war ein veritabler Skandal – und Marie-Antoinettes Koketterie mit dem Einfachen und Natürlichen wenig glaubwürdig und wohl eher blanker Hohn für das gemeine Volk.

"Grand Habit"

Doch in diese Niederungen gelangt man in der Ambraser Schau ohnehin nicht, hier stehen die Herrschenden im Fokus, sieht man Frankreichs Königin, ebenfalls gemalt von Vigée-Lebrun, im korrekten "grand habit", hier haben die Kuratoren Veronika Sandbichler, Katja Schmitz-von Ledebur und Stefan Zeisler außerdem kostbare, weil nur spärlich erhaltene Exponate wie eine seidengestrickte Oberhose mit die Männlichkeit überbetonender Schamkapsel versammelt.

In extravagantem Format und gefaltet kommt auch der lesenswerte Katalog daher. Das macht ihn zwar unhandlich – aber was schick ist, ist bekanntlich nicht unbedingt praktisch. Das war bereits vor ein paar hundert Jahren so. (Ivona Jelčić, 29.7.2021)