Es geht wieder aufwärts. Wie die Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nahelegen, ist die wirtschaftliche Vollbremsung des Vorjahres im Zuge der Corona-Pandemie überwunden. Mit den USA – heuer soll die weltgrößte Wirtschaftsmacht das stärkste Wachstum seit einer Generation erzielen – als Zugpferd erlebt die Weltkonjunktur gerade einen Boom. Aber nicht überall. Denn nicht jedes Land hat Uncle Sams Möglichkeiten, ein paar Billionen Dollar als Konjunkturhilfen sowie ein paar weitere Billionen für die Infrastruktur aufzuwenden, um heuer ein siebenprozentiges Wachstum zu entfachen. Nein, schon bei den weniger kostenintensiven Impfprogrammen können viele Länder und Regionen mit der westlichen Welt einfach nicht Schritt halten.

Die Corona-Krise verstärkt die Ungleichheit enorm. Das gilt nicht nur innerhalb einer Gesellschaft, wo das Vermögen der Reichen dank lukrativer Immobilien- und Aktieninvestments stetig zunimmt, während andere oft mehr schlecht als recht durch die Krise kommen. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch zwischen Staaten. Während sich die globale Oberschicht mit breiten Impfprogrammen und massiven Geldspritzen für die Wirtschaft selbst aus der Krise holen kann, fehlen etlichen Schwellen- und vor allem Entwicklungsländern die Mittel dazu. Deren Einwohner müssen nicht nur mit den gesundheitlichen Folgen der Pandemie leben, sondern während der Lockdowns mangels staatlicher Unterstützung mitunter sogar sprichwörtlich von der Hand in den Mund.

Während Industrienationen mit Vakzinen überversorgt sind, fehlt es in anderen Erdteilen dringend an Impfstoff.
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Globale Probleme

Ungleichheit ist wie das Coronavirus oder auch der Klimawandel ein globales Problem. Ein sehr steiles Wohlstandsgefälle zwischen Staaten führt zu Migrationsbewegungen – je weiter diese Schere aufgeht, desto mehr Dynamik entwickeln diese. Es ist also auch im eigenen Interesse der westlichen Welt, diese unterschiedliche ökonomische Entwicklung zu stoppen. Die am schnellsten wirksame Maßnahme wäre, worauf auch der IWF hinweist, eine globale Impfkampagne für Entwicklungs- und manche Schwellenländer. Es ist grotesk, dass Industrienationen angesichts chronischer Impfmuffel mit Vakzinen überversorgt sind, während diese in anderen Erdteilen dringend benötigt werden.

Damit allein wird es nicht getan sein. Vielmehr sollten die G20 demnächst die Köpfe zusammenstecken, um sich der Herausforderung einer global wachsenden Ungleichheit zu stellen. Das Ziel sollte lauten: eine gemeinsame Finanzierung für ein weltweites Infrastruktur- und Konjunkturprogramm, gewissermaßen einen globalen Green Deal, auf Schiene zu bringen. Damit sollten vor Ort Entwicklungen angestoßen werden, um die dortige Wirtschaft zu beleben und gleichzeitig grüner zu gestalten.

Wenn man dieser Gruppe an derzeit zurückfallenden Staaten dadurch mittelfristig vor Ort bessere Perspektiven und Entwicklungschancen bietet, werden viele Menschen diese auch ergreifen, anstatt notgedrungen fern der Heimat ihr Glück zu suchen. Zudem kann man so langfristig auch das Bevölkerungswachstum einbremsen. Denn die Historie lehrt: Je wohlhabender eine Gesellschaft ist, desto weniger Kinder bekommt sie. Tatenlos die Hände in den Schoß zu legen wäre für die Industrienationen zwar eine kostenschonende, aber langfristig eine sehr schlechte Wahl. (Alexander Hahn, 29.7.2021)