Jährlich am 14. Juli, dem Bastille-Tag, gibt es auf den Champs-Élysées eine Militärparade. 2024 soll dort um Olympiagold gekämpft werden.

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Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo verfolgt seit ihrer Wahl im Jahr 2014 ein vorrangiges Ziel: Sie will den Autoverkehr so weit wie möglich aus Paris verbannen. Sichtbarstes Zeichen, dass Paris im wahrsten Wortsinn "grünt", werden die Champs-Élysées: Hidalgo will sie binnen drei Jahren in einen "außerordentlichen Garten" verwandeln.

Eine erste Ankündigung in diese Richtung hatte die 62-jährige Sozialistin schon im Februar 2019 gemacht, kurz vor dem Ausbruch der Covid-Krise. Bis zum Beginn der Olympischen Sommerspiele von 2024 in Paris sollte die Metamorphose der Champs-Élysées abgeschlossen sein. Doch dieser Fahrplan kann nicht eingehalten werden. Laut dem federführenden Architekturbüro dürfte bis 2024 erst der untere Teil der Avenue um den Place de la Concorde vollendet sein.

Auf diesem größten Platz der französischen Hauptstadt, wo in der Revolution der König und die Aristokraten guillotiniert wurden, eilt es: Dort werden Olympiadisziplinen wie Skateboard, BMX oder 3x3-Basketball ausgetragen. Und ein Teil dieser Anlagen soll auch nach den Spielen Bestand haben.

"Insel des Friedens"

Der Abschnitt der Champs-Élysées zwischen Concorde und dem Franklin-D.-Roosevelt-Platz mutiert in einen Park mit 360 zusätzlichen Bäumen und 24 Hektar Grünfläche; dazu kommen Spielplätze und Sportstätten. Die Concorde, wo heute Autos in alle Richtungen vorbeipreschen, ohne den Zebrastreifen zu respektieren, wird eine "Insel des Friedens", wie Le Parisien wohl nur leicht übertreibend schätzt.

Heute noch, meint auch der leitende Architekt Philippe Chiambaretta, seien die Champs-Élysées eine eigentliche "Autobahn" für 72.000 Autos am Tag. Bis 2024 schrumpfen die acht Fahrspuren der Avenue auf die Hälfte. Dafür entstehen beidseits der Fahrbahn nicht nur breitere Trottoirs, sondern "richtige Terrassen", wie sie der Architekt nennt. In der Mitte soll zudem eine Flaniermeile entstehen. Gemächliche Fortbewegung wird Trumpf sein.

Das gilt auch für den runden Platz des Triumphbogens am oberen Ende der zwei Kilometer langen Avenue. Vorbei die aus Spielfilmen bekannten Chaosszenen mit hupenden, ineinander verkeilten Autos: Der Kreisverkehr soll seinerseits auf höchstens zwei Spuren verengt werden. Der Asphalt wird durch hell gemusterte Steinquader ersetzt. Im Sommer soll der Rundplatz als Sandstrand, im Winter als Eisbahn dienen.

Störender Verkehrslärm

Selbst in Paris ist wenig bekannt, dass die Idee für diesen tiefgehenden Umbau gar nicht von der rot-grünen Stadtregierung ausging, sondern vom Comité des Champs-Élysées, dem Verband der Ladenbesitzer und -mieter. Sie wissen, dass die zahllosen Postkartensujets der "schönsten Avenue" trügen: Die Pariserinnen und Pariser gehen heute kaum auf den "Champs" – wie sie sie nennen – spazieren oder einkaufen.

Laut einer Marktstudie machen sie nur noch vier Prozent der täglich 100.000 Besucher der Avenue aus. Viele stören sich am Verkehrslärm, den hohen Preisen und dem Gedränge auf den Trottoirs – Taschendiebe inklusive.

Das Ausbleiben der einheimischen Kunden ist ein Grund zur Sorge für all die Nobelmarken, die vor allem auf der Sonnenseite der Avenue horrende Mietzinsen von rund 1.500 Euro im Monat zahlen – pro Quadratmeter, wohlgemerkt. Über die Covid-Krise haben sie sich recht gut gerettet. Außerdem laufen derzeit gewaltige Bauarbeiten für die Ankunft neuer Marken wie Dior, Lacoste oder Yves Saint-Laurent.

Bobos sollen kommen

Diese hohen Investitionen wollen wieder eingespielt sein. Das Comité des Champs-Élysées peilt deshalb auch die betuchte Pariser Mittelklasse und die zahlungskräftigen Bourgeois-Bohème ("Bobos") an. Dazu muss ein neues, in jeder Hinsicht grüneres Dekor her. Mit ihrer Initiative erhielten die Ladeninhaber rasch die Unterstützung der rotgrünen Stadtregierung, die immerhin 200 Millionen Euro an Baukosten beisteuert. Die Besucher der Pariser Olympiade dürfen sich dann selbst vergewissern, wie sehr Luxusgeschäft und Ökodenken auch Hand in Hand gehen können. (Stefan Brändle aus Paris, 29.7.2021)