Michaela Polleres kam auf dem "klassischen Weg" zum Judo.

Foto: AFP/FIFE

Auf ihrem linken Arm ist nicht mehr allzu viel Platz. Was dort schon tätowiert ist – Pflanzen, Tiere, eine Weltkarte –, hat die auch künstlerisch begabte Michaela Polleres (24) selbst gezeichnet. Gut möglich, dass die Niederösterreicherin bald eine olympische Silbermedaille hinzufügen lässt. Gewonnen hat sie diese am Mittwoch im Judo in der Klasse bis 70 Kilogramm.

Tokio sah das dritte Stockerl mit österreichischer Beteiligung, wobei dieser zweite Platz viel weniger überraschte als Anna Kiesenhofers erster im Radstraßenrennen und Shamil Borchashvilis dritter im Judo. Mit Polleres hatte man rechnen können, im Juni tankte sie als WM-Dritte Selbstvertrauen. "Da hab’ ich gesehen, ich kann alle schlagen", sagt sie. Erst nach dem Finale in Tokio hatte die Österreicherin der Japanerin Chizuru Arai, die schon zweimal Weltmeisterin war, zum Sieg zu gratulieren.

Klassisch

Zum Judo ist Polleres auf klassischem Weg gekommen, als sie acht Jahre alt war. Der Sport wurde in ihrer Volksschule präsentiert, da ließ die Michi quasi den Tennisschläger fallen und schlüpfte in den Judogi. Zu Beginn habe sie "einen kleinen Schubs gebraucht, weil ich so schüchtern war. Dann habe ich neue Freunde kennengelernt."

Beim Judoclub Wimpassing, wo Adi Zeltner ihr Coach und Mentor ist, hat die in Reichenau aufgewachsene Ternitzerin längst als Aushängeschild zu gelten. Bronze bei den Olympischen Jugendspielen 2014 in Nanjing war das erste Rufzeichen. Nach der HTL-Matura (Innenarchitektur) gab ihr das Bundesheer die Möglichkeit, professionell zu trainieren, Polleres steht im Korporalsrang. Winters fährt sie Ski und Snowboard, sommers geht sie in die Berge, auf die Rax. "Chillen in der Natur gibt mir Kraft."

Konterspezialistin

Was Judo ausmacht? "Dass ich jeden Gegner werfen kann, egal wie groß und schwer er ist. Im richtigen Moment, mit dem richtigen Zug kann ich jeden auf die Matte hauen." Nach Tokio war die selbstbewusste Konterspezialistin mit dem Ziel gereist: "Ich will Gold holen."

Neben Zeltner kümmert sich Yvonne Bönisch um Polleres und auch die anderen Nationalteam-Judoka. Die deutsche Olympiasiegerin 2004 wurde mit Jahresbeginn als Chefcoach verpflichtet. Man kann sagen, dass sich das Engagement schon gelohnt hat, Bönisch soll auch zumindest bis zu den Sommerspielen 2024 (Paris) weiterwirken. Polleres kann es recht sein. Und was mögliche Tätowierungen angeht – sie hat ja noch einen zweiten Arm. (Fritz Neumann, 28.7.2021)