Selten so gelacht: Olaf Scholz im "Brigitte-Talk".

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"Hm?", sagt Olaf Scholz und verzieht fragend sein Gesicht. "Geld – oder Leben?" hört er ein zweites Mal. "Leben", sagt Scholz. Und als da gestichelt wird, seine Gegenüber hätten mit "Geld" gerechnet, stöhnt er: "Nur weil ich Finanzminister bin, möcht’ ich doch nicht als Untoter durch die Gegend laufen." Und grinst ein bisschen.

Selten hat Scholz, der Sozialdemokrat, deutsche Vizekanzler und Bewerber ums Kanzleramt, in seiner langen politischen Karriere bei einem öffentlichen Termin so viel gelächelt wie an diesem Mittwochabend, in allen möglichen und manchmal auch fast unmöglichen Varianten. Das geht schon los, als die Chefredakteurin der immer noch bekanntesten deutschen Frauenzeitschrift "Brigitte" – die tatsächlich Brigitte Huber heißt – das Wort "scholzig" sagt. Und es hört eine Stunde lang nicht mehr auf.

Der Mann mit Regierungserfahrung

Die Veranstaltung heißt "Brigitte-Talk" – und geredet wird mit Menschen, die Kanzlerin werden wollen – auch in der männlichen Form. Vor Scholz haben schon Annalena Baerbock und Armin Laschet auf dem altrosabeigefarbenen Clubsessel zwischen Huber und der Ressortleiterin Zeitgeschehen, Meike Dinklage, gesessen. Baerbock war dabei vor allem eins: auf der Hut. Armin Laschet gab den netten Kerl von nebenan. Scholz hat sich unüberseh- und -hörbar vorgenommen, kein bisschen scholzig zu sein. Das ist ein knapp zwanzig Jahre altes Synonym für automatenhaft.

Scholz hat als einziger der drei, die Angela Merkel ins Kanzleramt folgen wollen, jene Regierungserfahrung, auf die es ankommen wird. Nach der Wahl. Vizekanzler und Bundesfinanzminister: Das ist, in dieser Zeit der doppelten Krise, doppelt viel. Scholz hat, sozusagen, den richtigen Job für diesen Wahlkampf.

Aber darauf kommt es im Clubsesselchen eher nicht an. Beim "Brigitte-Talk" geht es sehr viel um Frauen. Und weil NTV aus der RTL-Gruppe live überträgt, möglicherweise auch um solche, denen "Brigitte" als Illustrierte zu alt ist. Und andere, die sie zu feministisch finden. Huber sagt, sie und Dinklage wollten vor allem viel über "die Persönlichkeit des Menschen" herausfinden. Mehr als über Politik.

Mit starker Frau

Zumindest wird der Republik vorgeführt, wie Scholz gesehen werden will, als Persönlichkeit. Und als Mensch. Das ist also einer, der gern länger schliefe als er es tut, der vor dem Job gerne joggt und noch lieber rudert, was in Hamburg, woher er ja stammt und Bürgermeister war, funktioniert – in Potsdam, wo er nun mit seiner Frau lebt, bislang noch nicht. Dabei strotzt die Stadt vor Wasser.

Einer, der zugibt, erst mit gut vierzig und nur auf Einwirken seiner Frau – die Britta Ernst heißt und in Brandenburg Bildungsministerin ist, eine Frau also mit eigener Karriere – sportlich geworden zu sein. Einer, der die Ehefrau bei jeder sich bietenden Gelegenheit preist und zu einem gemeinsamen Bild von Verliebtsein und von "Liebe" spricht. Und die Frage, ob sie – im Kanzler-Fall – "weiterarbeiten" werde, fast grimmig kontert, das sei aber eine, "die mich empört".

Nicht nur Moderator

Die Scholz-Berater, wo auch immer sie der Vorstellung folgen, dürfen sich in einem fort freuen. Und manchmal vielleicht sogar auf die Oberschenkel hauen vor Begeisterung. Wenn Scholz sagen soll, was Merkel besser könne als er, sagt er: "Ich glaube, dass sie unglaublich lange Sachen aussitzen kann." Wenn es ums Umgekehrte geht, weicht er zunächst in kokett betonter Bescheidenheit aus. Um dann zu sagen, er "habe einen sehr guten Plan über das, was man in Deutschland machen muss". Und "moderieren reicht nicht".

Man kann, was Scholz darbietet, eine Vorführung in Aufgeräumtsein nennen – im doppelten Sinn des Worts. Er trägt sich deutlich heiterer als Baerbock. Und klar sortierter als Laschet auch.

Seine Schlüsselwörter beherrscht er aus dem Effeff – und verstreut sie, wo es nur irgendwie passt. Sie heißen "Demut" und "Vertrauen", "Haltung", "Gelassenheit" und "Ruhe", außerdem "Kraft", "Stärke" und "Kompetenz". Ach, und natürlich "Gerechtigkeit". Und "Respekt". Zusammen mit dem Lächeln gibt das ein hübsches Bild. Es ist, weil das Publikum ja nur vor dem Fernseher sitzt, coronabedingt, ein bisschen arg zweidimensional. Das ist Kritik. Darf man, sagt Scholz. Gehört dazu. "Ich nehm’ das niemandem krumm." Er sei ja "ein selbstkritischer Mensch – mehr als manche denken". Scholz lächelt. Viel mehr, als manche es sich vorstellen können. (Cornelie Barthelme aus Berlin, 28.7.2021)