Einer der Clubs auf dem Festivalgelände auf der Insel Pag.

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Offiziell ist Donnerstagmittag die Rede von 200 positiv getesteten Rückkehrern des "Austria goes Zrće"-Festivals auf der Insel Pag in Kroatien – die Zahlen dürften aber noch steigen. Bundesrettungskommandant Gerry Foitik sprach am Mittwochmittag auf Twitter bereits von 350 Fällen. Insgesamt waren 8.000 Menschen aus Österreich bei der mehrtägigen Party, die von 17. bis 24. Juli stattfand, dabei. Kontrolliert worden sei wie in der Nachtgastronomie nach der gängigen Drei-G-Regel, also sollen Nachweise von Geimpften, Getesteten und Genesenen verlangt worden sein.

Zunächst wurde von 19.000 Besuchern berichtet, für den Veranstalter ist diese Zahl aber "unnachvollziehbar". Eine vollständige Teilnehmerliste sei bereits an den Krisenstab und an das Innenministerium überliefert worden. Dass es nun ein derart großer Cluster gibt, überrascht Martin Reitstätter, der Geschäftsführer von New Generation Event & Touristik ist.

Teilnehmerin: Zu lasche Kontrollen

Eine Teilnehmerin, die anonym bleiben möchte – auch sie ist Covid-positiv –, erhebt nach ihrer Rückkehr allerdings schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter. Dieser habe mit einem "großen Hygienekonzept Werbung gemacht", vor Ort habe man aber relativ schnell gesehen, "wie wenig dieses wirklich ernsthaft umgesetzt wurde". Unter anderem habe man das Festivalgelände unkontrolliert betreten können. Beim Haupteingang sei durchaus strikt kontrolliert worden, an den Seiteneingängen – wo die Frau mit ihren Freunden in der Nähe wohnte und das Festivalgelände deswegen dort betrat – allerdings nicht. Und "auch wenn man teilweise am Eingang der Clubs nach Ausweis und grünem Pass gefragt wurde, wurde dieser nicht unbedingt immer gescannt, und manchmal wurde man auch einfach nur durchgewunken."

Veranstalter weist Vorwürfe zurück

Die Frau war mit zwölf Freundinnen und Freunden zum Festival gefahren, die alle geimpft waren – in der Gruppe gebe es nun vier positive Fälle. Drei der vier waren mit Johnson & Johnson geimpft, mehr als 22 Tage waren seither vergangen. Die vierte Person hatte die zweite Biontech/Pfizer-Impfung bereits hinter sich. Die Verläufe seien recht unterschiedlich: Eine Person sei asymptomatisch, zwei würden leichte Symptome aufweisen und eine Person schwere. "Ich muss ehrlich sein, dass mir von Anfang an bewusst war, dass ich mich einem Risiko aussetze", sagt die 22-jährige Frau. Sie sei somit auch nicht wütend, dass sie nun erkrankt ist. "Aber ich finde es unpassend, mit einem großen Hygienekonzept Werbung zu machen, von dem dann nur wenig übrig bleibt."

Eindrücke vom Raf-Camora-Konzert in Zrće.

Veranstalter Reitstätter weist die Vorwürfe entschieden von sich. Die Leute seien am Strand und bei den Clubeingängen kontrolliert worden. "Nachdem bei der Maturareise X-Jam auch Fälle aufgetreten sind, obwohl dort durchgängig PCR-getestet wurde, haben wir uns für diese doppelte Kontrolle entschieden." Und die sei auch rigoros durchgeführt worden, versichert er. Es gebe in Österreich keinen Club, der so streng kontrolliere, wie es beim "Austria goes Zrće" abgelaufen sei. Zusätzlich habe man die Teilnehmerzahl absichtlich minimiert und die größte Bühne gar nicht in Betrieb genommen. "Wir sind kooperativ bei der Fehlersuche", sagt Reitstätter. Der Austausch mit Ministerium und Krisenstab habe sofort gut geklappt.

Bürgermeister wehrt sich

Der Bürgermeister von Novalja, Ivan Dabo, jenem Ort auf Pag, wo vergangene Woche Tausende Österreicher abfeierten, hat offenbar ganz besondere Informationen. Er meinte am Donnerstag, dass die Zahl jener Österreicher, die nach dem Festival "Austria goes Zrće" infiziert zurück kamen, manipuliert seien. Das Festival sei keine Brutstätte für Covid-19 gewesen. Heute habe der Veranstalter ein Gespräch mit einem Vertreter der Republik Österreich.

"Alle österreichischen Staatsbürger, die nicht über eine andere Bescheinigung verfügen, haben Kroatien mit einem negativen Coronavirus-Test verlassen", sagte Dabo und meinte damit offenbar, dass alle anderen entweder getestet oder geimpft gewesen seien. Die veröffentlichten Daten zu 19.000 österreichischen Festivalbesuchern seien jedenfalls nicht korrekt.

"Realistisch gesehen ist das Reiseziel Novalja Covid-sicher, wir halten das Reiseziel durch Massentests aufrecht und mehrere Argumente bestätigen, dass diese Medienberichte unwahr sind", sagte auch der Chef des Krisenstabs von Novalija, Ivan Peranić und fügte hinzu, dass sich zwölf Covid-positive Personen in Quarantäne befänden, keiner von ihnen käme aber aus Österreich.

Viele Geimpfte unter Infizierten "schockierend"

Was den Veranstalter von "Austria goes Zrće" nachdenklich stimmt, ist die hohe Zahl an Infizierten, die bereits geimpft waren. In Niederösterreich seien von 38 positiv getesteten Personen bereits 33 geimpft gewesen, 13 davon vollimmunisiert. Für Reitstätter eine "schockierende" Nachricht. "Natürlich fragt man sich, ob die Drei-G-Regel bei Großveranstaltungen überhaupt sinnvoll ist."

Experte: Drei-G-Regel zu wenig, Restrisiko bleibt immer

Der Wiener Umweltmediziner Hans-Peter Hutter hat das Präventionskonzept für X-Jam erstellt. Aus seiner Sicht ist die Drei-G-Regel "nett, wenn man Essen gehen will", für solche Großveranstaltungen sei sie aber schlicht ungeeignet. 8.000 Menschen die tagelang sehr eng und da und dort auch noch schmusend Party machen, das könne nur zu einem hohen Infektionsgeschehen führen, wenn nicht alle regelmäßig getestet werden. Geimpfte und Genesene können sich sehr wohl noch mit Corona infizieren. Auch wenn sie eine geringere Virenlast in sich tragen, sind sie für andere Menschen weiterhin ansteckend. "In dem Fall ist es sogar egal, ob man im Freien ist", sagt Hutter. "Wenn man stundenlang bei solchen Events so nah beieinandersteht, geht es nicht mehr um die Aerosole, sondern um die direkte Tröpfcheninfektion."

Daher habe man bei X-Jam einerseits die Personenkapazitäten reduziert. Andererseits 30.000 Corona-Tests durchgeführt, davon 23.000 PCR-Tests. Auf der Maturareise wurde bei zwei Teilnehmerinnen aus Deutschland dennoch eine Corona-Infektion an Ort und Stelle nachgewiesen, bei 63 Personen, davon 28 aus Österreich, erst nach ihrer Rückkehr. Laut Veranstalter haben sich die beiden Frauen aber bereits daheim angesteckt. "Es wird immer ein Restrisiko geben, auch weil zwischen der Ansteckung und der Fähigkeit, andere anstecken zu können, ein paar Tage vergehen", sagt Hutter. "Aber mit regelmäßigen PCR-und Antigentests hast du insgesamt eine bessere Handhabe über das Infektionsrisiko." (Lara Hagen, Jan Michael Marchart, Adelheid Wölfl, 29.7.2021)