Obwohl mein Phrasenschwein auch in diesem Jahr reich gefüllt und eine Reise daher grundsätzlich möglich wäre, ist es auch in diesem Jahr ja pandemiebedingt nicht so einfach, auf Urlaub zu fahren. Für Fernreisen ist mir die Pandemiesituation zu unsicher, für Clubreisen, zum Beispiel nach Kroatien, bei denen man sich offenbar zielsicher infizieren kann, bin ich zu alt. Stundenlange Autofahrten sind anstrengend und klimakatastrophenbedingt inopportun. In Zügen wird die Maskenpflicht, soweit ich das sehen kann, recht zuverlässig ignoriert und ich mag nicht zwischen Infektions- und Geschlagenwerdenrisiko wählen müssen.

Bleibt also: eine Fahrradtour nach Ungarn. Die habe ich gerade absolviert und dabei einiges gelernt. Zum Beispiel, dass Ungarn rund um den Plattensee ziemlich hügelig sein kann. Dass das Vorverständnis darüber, was ein mit einem Fahrrad befahrbarer Weg ist und was nicht, zwischen der App meines Vertrauens und mir sehr divergiert. Dass man zum Fahrradschlauchwechseln wirklich einen (besser: zwei) Reifenheber braucht und Zahnbürsten dafür nur ein unvollständiger Ersatz sind. Vor allem aber: Dass man (auch) für diese Reise ein Drei-G-Zertifikat überhaupt nicht braucht(e).

Jurist und überichgesteuerter Mensch, der ich bin, habe ich mich voll ausgestattet auf die Reise gemacht: Pass, gedrucktes Zertifikat, Kopie des gedruckten Zertifikats (an anderer Stelle aufbewahrt; just in case) und digitales Zertifikat -  alles dabei. Und dann:

Bei der Einreise nach Ungarn - knapp vor dem Check-In ins Grenzhotel "Paprika" - war überhaupt kein Mensch zu sehen. Eine Schengen-Grenze wie in der Prä-Corona-Zeit. Leer. Nichts. Niemand.

"Seid's eh olle g'impft!" ersetzt die Drei-G-Kontrolle.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

"Foan's weida"

Der nette Mitarbeiter des Hotel Paprika (ohne Maske) sah mich nur entgeistert an, als ich ihm beim Check-In mein Zertifikat aufdrängen wollte. Und so blieb das dann den Rest der Reise: Masken nicht vorhanden, Zertifikat von niemandem erbeten; in fünf unterschiedlichen Unterkünften und in in Summe an die 20 Cafés, Restaurants, Bars.

Bei der Rückreise stand ein etwas derangiert wirkender Grundwehrdiener an der österreichischen Grenze und knurrte nur ein gewohnt freundliches "Foan's weida", als ich zögernd langsamer wurde. Das war's. Auch da keinerlei Kontrolle.

Da das Fahrradfahren manchmal lang ist und man Zeit hat, habe ich zwischen den Sonnenblumenfeldern dann auch versucht zu zählen, wie oft ich seit Einführung der Drei-G Regel denn - zum Vergleich - in Österreich in einem Café, in einem Restaurant, in einem Beisl war: Ich komme auf (geschätzte) 40 Mal, überwiegend, aber nicht nur, in Wien. Und auch dort: In keinem einzigen Fall wurde mein Zertifikat sinnstiftend kontrolliert.

In geschätzten 90 Prozent der Fälle geschah gar nichts oder ein "Seid's eh olle g'impft!" - mehr eine Feststellung als eine Frage - ersetzte die Kontrolle. Drei Mal, immerhin, wollte jemand irgendetwas sehen. Brav zückte ich mein Handy, auf dem das Zertifikat aber so klein ist, dass auch sehr junge Augen es nicht lesen können. Ich hätte auch die Hundesteuerbescheinigung oder den QR-Code auf der letztverspeisten Kekspackung herzeigen können. Eine genauere Inspektion des Zertifikats samt Überprüfung meiner Identität fand schon überhaupt nicht statt. Nicht ein einziges Mal.

Das wäre ja vielleicht recht lustig oder wenigstens nicht weiter tragisch, wenn wir es nicht mit einem Virus zu tun hätten, das leider etwas weniger nachlässig zu sein scheint als wir; wenn die Einführung des Zertifikats nicht eine Menge Geld gekostet hätte; wenn nicht rechtliche Bedenken anlässlich der Einführung im Turbotempo beiseite gewischt worden wären (dadurch aber natürlich nicht verschwunden sind). Vor allem aber: Wenn nicht eine derart manifeste kollektive Ignoranz des Rechts etwas mit dem Recht und dem Rechtsstaat machte, das sich auch nach der Pandemie nicht mehr ohne Weiteres einfangen lässt. (Nikolaus Forgó, 2.8.2021)

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