Eine Frau auf der Gedenkstätte für die Opfer von Srebrenica in Potočari.

Foto: EPA/FEHIM DEMIR

Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, begrüßt die Entscheidung des Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, die Leugnung von Kriegsverbrechen und die Verherrlichung von Kriegsverbrechern strafrechtlich zu ahnden. "Für die Überlebenden des Holocaust ist eine der wichtigsten Lehren die Anerkennung der historischen Wahrheit", so Heubner zum STANDARD. "Denn diese ist sowohl eine Voraussetzung für ein Zusammenkommen der ehemals verfeindeten Parteien als auch für eine juristische Auseinandersetzung."

Heubner verweist auf den Genozid gegen Muslime im Jahr 1995 in der ostbosnischen Stadt Srebrenica. "Für Auschwitz-Überlebende waren die Geschehnisse von Srebrenica ein entsetzlicher und zutiefst schmerzlicher Beweis dafür, dass auch nach Auschwitz Hass und Völkermord in Europa immer noch die Oberhand gewinnen können."

Verantwortung Europas

In Srebrenica habe es auch ein europäisches Versagen gegeben. Heubner macht auf die Rolle der Vereinten Nationen aufmerksam. "Die Blauhelme aus den Niederlanden sind in Srebrenica jämmerlich daneben gestanden und haben hilflos versagt", meint er.

Deswegen sei es wichtig, dass gerade der Vertreter der Internationalen Gemeinschaft nun handle. "Das ist für manche Beteiligte schmerzhaft", so Heubner. "Aber der Fingerzeig von außen ist eine Hilfestellung zur Wahrheit und zum Gespräch" meint er. "Und die Wahrheit ist, dass das ein Völkermord war."

Angesprochen auf die in Bosnien-Herzegowina allgegenwärtige Verherrlichung von Massenmördern, die vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilt wurden, meint er, dass dies für die Opfer so sei, als würden "sie noch einmal mit Füßen getreten und noch einmal getötet werden". Ähnlich ginge es Angehörigen der Opfer der Shoah bei Nazi-Aufmärschen. "Jenseits aller politischen Implikationen, darf man Opfer nicht demütigen und Verbrecher nicht verherrlichen."

Die Menschen nicht allein lassen

Diese Haltung würde auch den Intentionen der Vereinten Nationen entsprechen. "Erst wenn das Leid anerkannt ist, ist ein Neuanfang möglich. Und erst wenn die historische Wahrheit auf den Tisch kommt, ist die Propaganda des Hasses beendet." Man dürfe die Menschen, die von dem Leiden betroffen seien, jedenfalls nicht allein lassen.

Auch der Präsident der Jüdischen Gemeinschaft von Bosnien-Herzegowina, Jakob Finci, begrüßt das Gesetz. "Wir haben viele Jahre darauf gewartet", so Finci zum STANDARD. "Das ist eine gute Lösung."

Selbstanzeige von Dodik

Der Chef der größten bosnisch-serbischen Partei, SNSD, der prorussische Nationalist Milorad Dodik, hat sich bei der Staatsanwaltschaft offenbar selbst angezeigt. Sie ermittelt in mehreren Fällen. Dodik hat zudem angekündigt, dass serbische Vertreter sich aus Widerstand gegen das Leugnungsgesetz nicht mehr an der Arbeit in den bosnischen Institutionen beteiligen werden. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 29.7.2021)