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Ein Cola für 0,00001 Bitcoin gefällig? In El Salvador ist das bald möglich.

Foto: Reuters/Joe Cabezas

Zur Abwechslung war es nicht Elon Musk, der Anfang Juni die Welt der Kryptowährungen aufmischte, sondern Nayib Bukele. Der 40-jährige Präsident von El Salvador verkündete, sein Land werde als Erstes weltweit Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel machen. Dass das salvadorianische Parlament unter Bukele wenige Tage später ein Gesetz im Schnellverfahren verabschiedet, hätten wohl die wenigsten vermutet. Tritt es im September in Kraft, gibt es zwei offizielle Währungen: den US-Dollar und den Bitcoin.

El Salvador ist seit Jahren verschuldet und benutzt seit 2001 keine eigene Währung. Der IWF merkte an, dass das Land Zahlungsprobleme hätte, die damit nicht gelöst seien. Auch die Weltbank verweigerte ihre Unterstützung bei der Bitcoin-Einführung. Bukele aber verkündet auf Twitter: Die Kryptowährung werde das Leben der Menschen verbessern und für einen Wirtschaftsaufschwung sorgen.

"El Salvador steht wirtschaftlich nicht gut da, kann keine eigene Währung aufsetzen und greift daher auf den Bitcoin zurück", sagt Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance. Damit wäre das Land am Pazifik nicht mehr abhängig von der eigenen Zentralbank oder von einer Inflation des US-Dollars beeinflussbar. Das sind Vorteile, die für El Salvador nicht von der Hand zu weisen sind.

Doch welche Risiken birgt die Kryptowährung? Taugt der Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel? Dazu gibt es ein paar Fragen zu klären.

Die Freiheit

Keine Zentralbank, keine Kontrollinstanz, dafür Tausende Computer, die jede Transaktion in der Blockchain speichern. Das dezentrale Registriersystem der Kryptowährung macht Geld demokratischer, argumentieren Befürworter. "Für korrupte Länder hat Bitcoin den Vorteil, dass Politiker keinen Einfluss nehmen können", sagt Anita Posch, Autorin und Krypto-Expertin. Die digitale Währung zeichnet ein offener Zugang aus. Prinzipiell kann sie jeder auf Krypto-Marktplätzen erwerben. Ein sogenanntes Wallet, mit dem Bitcoins empfangen werden können, kann anonym und mit wenigen Klicks erstellt werden. Das könnte ein Vorteil für El Salvador sein, wo 24 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahre kein Bankkonto haben. "Bitcoin kann Bürger erreichen, die nicht in das Finanzsystem eingebunden sind", sagt Sandner.

Mehr als 20 Prozent der salvadorianischen Wirtschaftsleistung fließen außerdem durch Auslandsüberweisungen in das Land. Wenn Auswanderer ihren Familien Geld schicken, nutzen sie oft Dienstleister mit hohen Überweisungsgebühren. "Bei der Kryptowährung liegen die Transferkosten nahezu bei null", sagt Sandner. Zudem braucht es laut Sandner eine "Bitcoin-Facility". Das ist ein Fonds, der den Leuten die Deckung mit der Kryptowährung ermöglicht. Laut WKO möchte El Salvador digitale Geldbörsen aus einem staatlichen Fonds von 120 Millionen US-Dollar einrichten und Bürger mit 30 US-Dollar in Bitcoin für die Erstregistrierung belohnen.

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Der Wert von Bitcoin schwankt stark.
Foto: Reuters/Edgar Su

Die Alltagstauglichkeit

In El Salvador werden die Bürger über eine App mit Bitcoin zahlen, indem sie QR-Codes austauschen. "Eine App im Bitcoin-Bereich zu programmieren ist schwierig, weil potenziell tausende Transaktionen pro Stunde abgewickelt werden müssen", sagt Sandner. Bitcoin-Transaktionen können einige Minuten bis Tage in Anspruch nehmen. Je nachdem, wie viele Transaktionen gleichzeitig stattfinden, werden sie unterschiedlich schnell verifiziert. Wie soll man da mal schnell den Coffee to go bezahlen? Helfen kann die Lightning-Technologie, auf die auch El Salvador setzt. Das Netzwerk kann Zahlungen in Echtzeit durch eine Art zweite Schicht auf der Bitcoin-Blockchain verarbeiten.

Das Risiko

Wertstabilität, die für den täglichen Zahlungsverkehr wichtig ist, weist Bitcoin nicht auf. Enorme Kursschwankungen kennzeichnen die Kryptowährung, die innerhalb weniger Stunden schon mal 20 Prozent ihres Wertes verlieren kann. Ein möglicher Grund dafür ist, dass einzelne Personen und "Finfluencer", finanzielle Influencer, den Krypto-Markt stark beeinflussen. Ein Investment von Tesla etwa kann den Kurs in die Höhe schießen lassen. Zudem entwickelt sich der Blockchain-Bereich ständig weiter, Neuigkeiten können zu extremen Kursbedingungen führen.

Auch Sander sagt: "Der größte Nachteil ist die Volatilität." Als sicheres Zahlungsmittel schätzt der Ökonom Bitcoin dennoch ein. "Bitcoin durchläuft einen Aufwärtstrend, über längere Zeiträume steigt der Preis." Die Kryptowährung ist zudem eine auf 21 Millionen Bitcoins begrenzte Ressource. Ist die digitale Währung einmal ausgeschürft, könnte die Verknappung den Bitcoin-Preis, der von Angebot und Nachfrage bestimmt ist, steigen lassen.

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Bitcoins zu "minen" benötigt enorme Mengen Strom.
Foto: Reuters

Die Umwelt

Bitcoins müssen geschürft werden. Das Mining, bei welchem Transaktionen von Tausenden Computern geprüft werden, benötigt eine enorme Rechenleistung. Einer Studie der TU München zu folge verursachen die Serverfarmen einen jährlichen Ausstoß von ungefähr 22 Megatonnen Kohlendioxid. Das entspricht dem CO₂-Fußabdruck einer Stadt wie Hamburg. Das Cambridge Centre for Alternative Finance an der Universität Cambridge schätzt in einer Untersuchung, dass nur 39 Prozent des Krypto-Minings mit erneuerbaren Energiequellen erfolgt. Das Nachhaltigkeitsproblem werde sich von selbst lösen, sagt Sandner. "Der Prozentsatz an erneuerbaren Energien wird sich erhöhen." Diese Meinung teilt Posch: "Miner sind an günstigen Stromquellen, also Wind-, Sonne und Wasserkraft interessiert."

Die Zwielichtigkeit

Darknet, Waffen, Drogen: Die Kryptowährung wird oft mit krimineller Energie verbunden. Diesen Vorwurf hält Sandner für nicht mehr zeitgemäß. "Heute ist der Anteil an kriminell bedingten Transaktionen deutlich geschrumpft." Saubere Transaktionen verdrängen unsaubere, weil Bitcoin zunehmend Akzeptanz findet, sagt der Ökonom. Jede Transaktion werde protokolliert, Spuren lassen sich nicht komplett verwischen, wie etwa bei der Kryptowährung Monero, die anders programmiert ist. Lediglich 0,34 Prozent aller Krypto-Transaktionen im Jahr 2020 sollen illegaler Natur gewesen sein, rechnet die US-amerikanische Blockchain-Analyse-Firma Chainalysis in ihrem Crypto Crime Report 2021 vor.

Die Sicherheit

Doch sind die digitalen Münzen weg, wenn man seine geheime "Passphrase" verliert? Das kann Sandner entkräften. "Wenn Bitcoin gesetzliches Finanzmittel ist, gibt es eine Art Online-Banking-App und man kann angeben, dass man sein Passwort verloren hat", sagt der Ökonom. Anders ist es, wenn technisch Versierte ihre Bitcoins nicht in einer App, sondern selbst verwahren. "Wenn sie dann ihr Passwort vergessen, kann Ihnen niemand helfen." Auch Hackerangriffe sind nicht auszuschließen. "Die Risiken sind enorm, aber die Chancen der Kryptowährung ebenfalls signifikant", sagt der Ökonom.

Die Zukunft

Was in El Salvador bald Realität ist, wird bei uns, wenn überhaupt, noch lange dauern. Dass es in der EU ein Nebeneinander von Euro und Bitcoin gibt, schließt Posch nicht aus. "Ich bin mir sicher, das kommt irgendwann. Allerdings vermutlich weniger ausgeprägt als in El Salvador, da wir ein sehr gut funktionierendes Bankensystem haben", sagt die Autorin. Ob Bitcoin als staatliche Währung taugen, lässt sich heute noch nicht beurteilen, sagt Sandner. Der Ökonom glaubt, Bitcoin werde als "neue Asset-Klasse" neben dem Euro existieren, also als Anlage, in die man investiert. Vorstellen könne man sich das wie das Verhältnis von Gold zum Euro: "Gold liegt im Safe und der Euro im Geldbeutel. Eine Goldmünze nimmt man nicht zum Einkaufen. So sehe ich das auch mit Bitcoin", sagt der Ökonom. (Allegra Mercedes Pirker, 31.7.2021)