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Wien – Die aussichtsreichsten Bewerber für die Führung des ORF unterscheiden sich in vielen Vorhaben nicht dramatisch, wirklich einig aber sind sie etwa bei den GIS-Gebühren: Bisher ist reines Streaming, auch das von ORF-Programmen, ohne GIS zu nutzen – weil kein Rundfunk, entschied der Verwaltungsgerichtshof 2015. Diese "Streaminglücke" wollen die Bewerber aus dem ORF-Management durchwegs schließen – also GIS auch für Streaming.

  • DER STANDARD arbeitet sich schrittweise durch die Konzepte der ORF-Bewerber und berichtet über Zugänge, Themen, auch Details aus den schriftlichen Vorstellungen der Kandidatinnen und Kandidaten. Einen ersten sehr groben Konzeptüberblick finden Sie hier. Mehr über die Pläne für die Führungsstruktur unter dem Generaldirektor finden Sie in diesem Überblick zum Direktorium.

GIS-Antrag im Herbst nach Generalswahl

Im Herbst 2021 muss der ORF wieder einen Gebührenantrag stellen, das fällt unabhängig vom Ausgang der Generalswahl am 10. August noch in die Zuständigkeit von Alexander Wrabetz – er ist bis Jahresende jedenfalls bestellt. Der ORF muss alle fünf Jahre überprüfen, ob die (Gebühren-)Mittel zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags (laut ORF-Gesetz) noch ausreichen. Zuletzt erhöhte der ORF – nach Genehmigung durch die Medienbehörde – die Gebühren mit April 2017 um 6,5 Prozent. Mit einer Inflationsanpassung im einstelligen Prozentbereich ist auch diesmal zu rechnen.

In den Konzepten der aussichtsreichsten Bewerber steht vor allem der Wunsch, auch für Streamingnutzung GIS-Gebühren zu verlangen. Manche Bewerber gehen noch ein Stück weiter – etwa mit automatischer Gebührenanpassung mit der Inflationsrate und Abgeltung von Gebührenbefreiungen durch die Republik wie etwa 2010 bis 2013 mit zweimal 50 und und zweimal 30 Millionen Euro pro Jahr an den ORF.

Wrabetz zur "Gebührenlücke"

ORF-Chef Alexander Wrabetz schreibt in seinem Konzept zu GIS und Streaming:

"Durch Änderungen in den Verbreitungsmöglichkeiten für ORF-Programme und aufgrund neuer Nutzungsgewohnheiten sind Bestimmungen des Versorgungsauftrags und der Programmentgeltpflicht mittlerweile überholt. Dass als (entgeltpflichtige) Rundfunkempfangseinrichtungen nur jene Geräte gelten, die "Rundfunktechnologien" verwenden (drahtloser terrestrischer Weg, Kabelnetze, Satellit), ist sachlich nicht mehr gerechtfertigt. Die entstandene Gebührenlücke ist daher vom Gesetzgeber zu schließen, um eine nachhaltige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich sicherzustellen."

Auch Werbebeschränkungen für den ORF will Wrabetz überprüft wissen: "Gleichzeitig ist der primäre terrestrische Versorgungsauftrag durch eine Berücksichtigung der Satellitenversorgung zu ergänzen. Um die Wettbewerbsfähigkeit und die zweite Finanzierungssäule des ORF aufrechtzuhalten, sind auch die bestehenden gesetzlichen Werbebeschränkungen zu evaluieren."

Totzauer für automatische Inflationsanpassung der GIS

ORF-1-Chefin Lisa Totzauer wünscht sich in ihrem Konzept nicht alleine die Schließung der "Streaminglücke":

"Die Gebühren stellen auch in Zukunft den wichtigsten Teil der Finanzierung des ORF dar. Um hier Planbarkeit und damit Stabilität zu gewährleisten, ist zum einen ein inflationsangepasster Automatismus für die Gebührenerhöhung zu finden, und zum anderen ist eine fortlaufende Gebührenbefreiungsrefundierung notwendig.

In Zukunft werden viele Inhalte des ORF rein digital konsumiert werden. Hierfür ist derzeit keine Gebühr zu entrichten. Um einen erfolgreichen Ausbau dieser Aktivitäten auch in Zukunft stabil finanzieren zu können, ist es notwendig, dass Gebühren auch für den Onlinebereich eingehoben werden dürfen. Es ist denkbar, ein Grundangebot kostenfrei und weitere Zusatzfunktionen nur mit einem an die GIS-Gebühr gebundenes Log-in anzubieten."

Totzauer verlangt zudem eine Lockerung der Beschränkung der Online-Werbeeinnahmen. Sie sind derzeit mit fünf Prozent der ORF-Einnahmen aus der GIS begrenzt. Die ORF-1-Managerin: "Gesetzlich sind derzeit die Werbeeinahmen aus dem Onlinebereich an die Einnahmen aus dem linearen Bereich gekoppelt. Bei zu erwartenden sinkenden Einnahmen aus dem linearen Bereich und steigenden Einnahmen aus dem digitalen Bereich ist hier eine Änderung wünschenswert. Derzeit erreicht der ORF mit rund 20 Millionen Euro aus Online-werbung diese Grenzen bei weitem noch nicht. Dieses Geschäftsfeld muss daher weiterentwickelt werden, um österreichische Werbegelder vermehrt im Kreislauf der heimischen Volkswirtschaft zu halten und sie nicht ins Ausland abfließen zu lassen."

Weißmann zur "Streaminglücke"

Vize-Finanzdirektor und ORF-Player-Projektchef Roland Weißmann will Werbebeschränkungen nach Möglichkeit loswerden, bei der GIS konzentriert er sich auf Streaming – und die "fundamentale" Schließung dieser Lücke. Im Konzept heißt es dazu:

"Gesetzliche Klarstellung zu Streaming nötig: Der Schließung dieser 'Streaminglücke' messe ich die allerhöchste strategische Bedeutung zu. Das Abstellen des Rundfunkbegriffs auf die Technik der Empfangsgeräte ist im digitalen Zeitalter nicht mehr zeitgemäß, gefährdet die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ist auch gegenüber den zahlenden Teilnehmern unfair. Ich setze mich daher für eine Klarstellung auf der legistischen Ebene ein, dass es sich auch beim Konsum via Streaming um 'Rundfunk' handelt. "

"Onlinewerbung: Auch im Bereich der Werbeerlöse braucht es ein modernes regulatorisches Rahmenrecht. Besonders im Bereich der Onlinewerbung unterliegt der ORF derzeit zahlreichen Restriktionen. Ich setze mich dafür ein, dass der ORF auf diesem für die Zukunft so wichtigen Werbemarkt die notwendigen Entwicklungsmöglichkeiten vorfinden kann; dasselbe gilt natürlich auch für die klassischen Werbemärkte in TV und Radio. Restriktionen, welche dem ORF schaden und nationalen Mitbewerbern am Medienmarkt wenig nützen, sollten von der Medienpolitik kritisch hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden. Denn das gemeinsame Ziel muss die Stärkung des österreichischen Medienstandorts insgesamt und damit der medienwirtschaftlichen Wertschöpfung im Inland sein."

Prantner warnt vor Aufhebung

Der für Online zuständige Technik-Vizedirektor Thomas Prantner warnt in seinem Bewerbungskonzept vor einer Aufhebung der womöglich unsachlich unterschiedlichen Gebührenpflicht:

"Hauptzweck des ORF ist es, Programm, Inhalte zu schaffen und diese der Allgemeinheit beziehungsweise allen Empfängern bereitzustellen. Die Empfänger sollen im Gegenzug zur Finanzierung des Programms beitragen. Wenn nun die Gruppe der Zahler immer weniger deckungsgleich mit der Gruppe der Empfänger wird, weil Computer eben nicht als Rundfunkempfangseinrichtungen gelten, dann steht die Sachlichkeit der konventionellen Gebührenfinanzierung infrage, weil für einen legitimen Zweck – die Finanzierung der Inhalte – ein nicht sachgerechtes Mittel, die Anknüpfung an eine (alte) Empfangstechnologie gewählt wird. Dabei geht es auch um verfassungsrechtliche Fragen wie den Gleichheitsgrundsatz, weil ein Teil der Empfänger beitragspflichtig ist, der andere nicht."

Prantner: "Sollte es aus diesen Gründen zu einer Aufhebung der Rechtsgrundlagen der Gebührenfinanzierung durch den Verfassungsgerichtshof kommen, muss der ORF für so einen Fall vorbereitet sein. Es müssen daher jetzt schon Maßnahmen vorbereitet werden, um die Finanzierung durch Gebühren weiterhin sicherzustellen", er sieht "dringenden Handlungsbedarf" und diese Varianten:

"Der allerwichtigste und einfachste Weg wäre, die Schließung der 'Streaminglücke' durch den Gesetzgeber, das heißt, dass auch für die Nutzung von ORF-Angeboten via PC oder Smartphone Programmentgelt anfällt.

Eine wichtige Maßnahme wäre, dass der ORF den digitalen Zugang zum geplanten 24/7-Livestreaming aller vier TV-Kanäle auf ORF- Online ausschließlich via Log-in mit einem GIS-Registrierungscode ermöglicht.

Darüber hinaus wäre es sinnvoll, eine Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten einzurichten, die die organisatorischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen (Befreiung sozial schwächeren Publikums) Aspekte der Gebührenfinanzierung aufzeigt, anhand statistischer Grundlagen quantifiziert und Lösungswege zur Absicherung der Finanzierung des ORF vorstellt. Ziel wäre eine Art 'Weißbuch Gebührenfinanzierung', das als Grundlage für weitere Entscheidungen der Geschäftsführung und der Medienpolitik dienen soll." (fid, 30.07.2021)