Wer sich unschicklich benimmt, muss die Folgen tragen.

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Vor etlichen Monaten verbrachte ich gemeinsam mit meiner Frau einen Kurzurlaub in einem Hotel, das ich hier zum Zweck der besseren Nichterkennbarkeit kurzerhand das Hotel X in der Stadt Y nenne. Am Morgen bildete ich die Vorhut in den Speisesaal, um zu erkunden, was das Frühstücksbuffet an Köstlichkeiten zu bieten habe. Ich war nicht der Einzige, der um Speck, Spiegeleier, Croissants und Müsli herumstrich, ein zweiter Hotelgast tat es mir gleich.

Es handelte sich um einen kleinen Herrn von asiatischem Aussehen, der, ebenfalls auf der Suche nach Essbarem, um das Büffet herumschweifte. Seines Schweifens war aber nicht lange, weil plötzlich eine resolute Hotelbedienstete den Herrn mit klatschenden und scheuchenden Handbewegungen aus dem Speisesaal trieb, als habe sie es mit einem Huhn zu tun.

Eine spätere Recherche ergab, dass es sich um ein Mitglied einer chinesischen Reisegruppe gehandelt hatte, welche ihr Frühstück, von den anderen Gästen separiert, in einem anderen Raum einnehmen musste. Der Vertreibungsszene mangelte es nicht an Drastik; sie wirkte wie das körpersprachliche Äquivalent des Satzes: "Dass Sie uns hier mit Ihren Pekinger Wichsgriffeln in die Eierspeis greifen, kommt nicht infrage." Gesamthaft gesehen war diese Art des Chinesenmanagements eine recht unwürdige Angelegenheit.

Tatsächlich ist es so, dass den Gästen aus China in Hotelierskreisen der Ruf einer gewissen Extravaganz beim Essen, Trinken und anderen körperlichen Verrichtungen vorausgeht. Ich erinnere mich daran, wie mir bei meiner ersten Chinareise beim Betreten eines Schiffs, das uns den Jangtsekiang hinunterbringen sollte, ein auf einem aufgerollten Tau sitzender Matrose haarscharf an den Beinen vorbeispuckte, ohne mich auch nur mit einem Speicheltröpfchen zu benetzen. Gut gemacht, aber trotzdem ein Stunt, auf dessen Darbietung man gerne verzichtet.

Heute, so hört man, ist der Volksbrauch der unbesorgten oralen Entladung bei Chinas Obrigkeit in Misskredit geraten, und wer einmal zu häufig von der Überwachungskamera dabei betreten wird, muss die Folgen tragen, quasi nach dem kindgerechten Motto: Du zu viel spucken, du drei Monate nicht mit dem Schnellzug fahren. Ist auch recht unwürdig, aber für alle politischen Liebhaber von steuerbaren Volksmassen natürlich ein feuchter Traum. (Christoph Winder, 2.8.2021)