U-Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP, links) mit Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl (rechts)

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Der unabhängige Verfahrensrichter im Ibiza-U-Ausschuss hat seinen Bericht vorgelegt. Auf 870 Seiten beurteilt Wolfgang Pöschl, einst Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien, welche Ergebnisse zu den einzelnen Beweisthemen erarbeitet werden konnten. Für die ÖVP und vor allem Kanzler Sebastian Kurz und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist der Inhalt des Berichts in einigen wichtigen Themenkomplexen eine gute Nachricht.

So schreibt Pöschl, dass Spenden an die ÖVP in keinem einzigen Fall "Bedingtheit" für die Bestellung auf einen bestimmten Posten waren. Ebenso sieht Pöschl keine Hinweise darauf, dass über ÖVP-nahe Vereine wie das von Sobotka gegründete Alois-Mock-Institut verschleierte Parteispenden liefen. Bezüglich der ÖVP-Schredderaffäre sieht der Verfahrensrichter "keine Anhaltspunkte für Beweisvernichtung".

"Massive Anstrengungen" für Sidlo

Deutlich kritischer sieht der Verfahrensrichter die Handlungen der türkis-blauen Regierungen im Bereich Glücksspiel und Staatsholding Öbag. Für ihn ist klar, dass es "massive Anstrengungen" gab, den blauen Bezirksrat und Manager Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria AG (Casag) zu hieven. "Motor" sei hier der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) gewesen; eine "substanzielle Beteiligung" von Kanzler Kurz sieht Pöschl nicht. Wahrscheinlichstes Motiv Straches sei es gewesen, "Parteigänger" in Spitzenpositionen unterzubringen.

Die Verbindungen zwischen der Bundesregierung und dem privaten Glücksspielkonzern und damaligen Casag-Miteigentümer Novomatic, auf dessen Ticket Sidlo zum Vorstand wurde, seien "intensiv" gewesen. Es habe ein "Abhängigkeitsverhältnis" bestanden. Zwar sei das Motiv "nachvollziehbar", mittels eines gemeinsamen Vorgehens zwischen Novomatic und Republik den österreichischen Einfluss gegen den tschechischen Miteigentümer Sazka zu stärken. Allerdings seien vor allem die Kontakte des damaligen Finanzministerium-Generalsekretärs Thomas Schmid und Straches zu Novomatic-Managern "nicht vereinbar mit einer neutralen Position", die die Regierung haben sollte.

Der Umbau des Casinos-Vorstands sei jedenfalls aus "sachfremden" Motiven, also nicht im Interesse des Unternehmens, erfolgt. Die Bestellung sei "politischer Natur" gewesen, urteilt Pöschl: Damit bekräftigt er auch die strafrechtlichen Verdachtsmomente der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die ein großes Verfahren rund um die Casag-Vorstandsbestellung des Jahres 2020 führt – die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Öbag mit Casinos "verzahnt"

Pöschl denkt außerdem, dass die Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Alleinvorstand mit dieser Casag-Bestellung verzahnt gewesen sei. Das halte er für "in hohem Maß wahrscheinlich". Er beruft sich auf die zeitliche Nähe beider Vorgänge sowie das Drängen Straches auf "Top-Jobs" für FPÖ-Mitglieder. Die Öbag-Bestellung habe gegen mehrere Prinzipien verstoßen: Dass Schmid als Generalsekretär im Ministerium an der Gründung der Öbag samt Ausschreibung für den Alleinvorstand mitgearbeitet und sich dann dafür beworben habe, sei ein deutlicher "Interessenkonflikt" gewesen, um den sich der damalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) hätte kümmern müssen. Dass Löger erst spät über Schmids Absichten erfahren habe, sei "unglaubwürdig".

Bezüglich der politiknahen Vereine sieht Pöschl belastende Momente bei der FPÖ und entlastende bei der ÖVP. Das Netz an blauen Vereinen sei gegründet worden, um Spenden an die Partei zu ermöglichen, schreibt Pöschl. Als Spende, die klare Folgen hatte, ordnet er die Überweisung des Industriellen Siegfried Stieglitz und dessen Bestellung in den Asfinag-Aufsichtsrat ein. Bei der ÖVP sei es für Spender aus Imagegründen kein Problem gewesen, direkt an die Partei zu spenden, deshalb habe es keine Umgehungskonstruktionen benötigt. Diesbezüglich entlastet Pöschl klar den U-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) und dessen Alois-Mock-Institut.

Allerdings äußert sich Pöschl kritisch zur Spende der Uniqa-Tochter Premiqamed an die ÖVP. Die Idee dazu sei noch getroffen worden, als Hartwig Löger Uniqa-Manager und Premiqamed-Aufsichtsratsvorsitzender war. Die Überweisung von 50.000 Euro erfolgte in zwei Tranchen; nach dem Wahlkampf 2017 sowie im Sommer 2018. Die Premiqamed habe laut Pöschl wohl mit höheren Einnahmen aus dem Privatkliniken-Finanzierungsfond (Prikraf) gerechnet, wenn dieser an sich erhöht werde. Auch Strache arbeitete für seinen Freund und Privatklinik-Besitzer Walter Grubmüller darauf hin, dazu läuft gerade ein Gerichtsverfahren. Für Pöschl spricht "viel dafür", dass die "sachlich nicht begründbaren Aktivitäten Straches" – der Druck für die Aufnahme Grubmüllers in den Prikraf machte – sowie die Spende der Premiqamed an die ÖVP zur Prikraf-Reform geführt hätten.

"Ungewöhnliche Handlungsweisen" in der Justiz

Bei den Ibiza-Ermittlungen sah Pöschl "keine Einflussnahme" der Politik, allerdings "ungewöhnliche Handlungsweisen" des damaligen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek und des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs. Deren Misstrauen gegenüber der WKStA lasse sich womöglich aber auch aus früheren Vorfällen ableiten, etwa dem Agieren der Behörde bei den Ermittlungen gegen BVT-Beamte – beim dazugehörigen U-Ausschuss war Pöschl stellvertretender Verfahrensrichter, erinnert sich also gut daran.

Auch die vermutlich durch die WKStA heimlich aufgenommene Dienstbesprechung in der Causa Eurofighter – Stichwort: "Daschlagt’s es" – habe den Konflikt befeuert. Hier habe der damalige Justizminister Josef Moser (von der ÖVP nominiert) nicht genügend Maßnahmen ergriffen, um den Konflikt zu befrieden. Laut Pöschl wäre eine Möglichkeit gewesen, die WKStA aus dem Zuständigkeitsbereich der OStA Wien zu lösen – eine lange Forderung der Opposition.

Die "Kompromisslosigkeit" im Konflikt auch zwischen WKStA und Polizei in Form der Soko Tape habe teils "Ermittlungserfolge gefährdet", etwa in der ÖVP-Schredderaffäre. Eine Beurteilung, wer am zerrütteten Verhältnis Schuld trage, liefert Pöschl jedoch nicht. Anhand der vorhandenen Ermittlungsergebnisse liefere das heimliche Schreddern von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt jedenfalls "keine Anhaltspunkte für Beweisvernichtung".

Empfehlungen

Als Lehren aus dem U-Ausschuss führt der Verfahrensrichter einige Punkte an: Das Finanzministerium solle, wie bereits geplant, Teile seiner Zuständigkeit im Glücksspielbereich abgeben, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Kontakte zwischen Spitzenbeamten beziehungsweise Politikern und Firmenchefs sollten formaler erfolgen; außerdem schlägt Pöschl eine "Cooling-off"-Phase für Beamte vor, die mit staatsnahen Betrieben zu tun hatten.

Der U-Ausschuss selbst soll laut Pöschl auch reformiert werden, vor allem was Vorsitzführung und Verfahrensrichter betrifft. Und: Viele Anhörungen seien "nicht aufschlussreich" gewesen, weil sich Auskunftspersonen mit Verweis auf laufende Ermittlungen entschlagen hätten. Teils wären diese Ermittlungen auch durch Anzeigen von Abgeordneten ausgelöst worden. Allerdings lieferten Ermittlungsergebnisse der WKStA, vor allem in Form von Chats, einen breiten Fundus an Beweismitteln. (Fabian Schmid, Renate Graber, 30.7.2021)