New York – Kommen im Sherwood Forest keine Abgesandten des Königs mit Staatseinnahmen vorbei, fehlt dem Dieb Robin Hood die Einnahmequelle für sein "Geschäftsmodell", und es gibt nichts zu verteilen. Schon der Ausgabepreis von 38 Dollar war für die Trading-App Robinhood eine kalte Dusche: Sie konnten ihre Aktien den Investoren nur am unteren Ende des Preisbands von bis zu 42 Dollar zuteilen. Dann verlief auch noch das Börsendebüt enttäuschend.

Zeitweise fiel das Papier um mehr als zehn Prozent, schlussendlich notierte es bei 34,82 Dollar – acht Prozent im Minus. Damit war nicht unbedingt zu rechnen gewesen, in jüngerer Vergangenheit legten Aktien am ersten Handelstag üblicherweise zu. Nur jede vierte Aktie beendet den ersten Handelstag im Minus.

Bewertet mit 32 Milliarden Dollar

Insgesamt steckten Investoren rund zwei Milliarden Dollar in das Unternehmen, was zum Handelsstart einer Bewertung von 32 Milliarden Dollar entspricht. Zum Vergleich: Vergangenen Herbst, bei der letzten Finanzierungsrunde, waren es noch 11,7 Milliarden Dollar. Rund 22 Millionen Nutzer hat die Plattform momentan, mehr als doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. Im Schnitt sind sie 30 Jahre alt.

Große internationale Bekanntheit erlangte die App durch den Höhenflug an der Börse des maroden US-Spielehändlers Gamestop. Viele – zumeist junge – Anleger organisierten sich in Internetforen wie Wallstreetbets und treten gegen große Hedgefonds an (DER STANDARD berichtete).

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Firmengründer Vlad Tenev präsentiert ein Shirt mit der Aufschrift "Participation is Power" – eine Anlehnung an sein Geschäftsmodell.
Foto: AP Photo/Mark Lennihan

Volatilität und Untersuchung

Ein Mitgrund für den enttäuschenden Start dürfte eine abermalige Untersuchung seitens der US-Finanzaufsicht Finra sein, die Robinhood erst am Dienstag bekanntgegeben hatte. Ein weiterer Grund sei die Befürchtung der Händler, dass die Aktie volatiler sein würde, als es bei anderen vergleichbaren Börsengängen der Fall gewesen sei, schreibt das deutsche "Handelsblatt". Grund dafür sei, dass Robinhood mit rund einem Drittel seinen Nutzern einen untypisch hohen Anteil der Aktien zum Ausgabepreis zur Verfügung stellt.

Das passt zum Konzept des Unternehmens, das Kleinanlegern dieselben Zugänge zur Finanzwelt gewähren will, die auch etablierte Investoren haben. "Für Jahre konnten sich Kleinanleger erst in einen Börsengang einkaufen, wenn die institutionellen Investoren schon Anteile zum Einstiegspreis bekommen hatten und der Preis dann bereits gestiegen war. Bei uns können alle gleichzeitig einsteigen", sagt Firmenchef Vlad Tenev.

Robinhood wurde von der US-Finanzaufsicht Firna mit der bisher höchsten Strafe seitens dieser Behörde belegt.
Robinhood

Nicht alle trauen dem schnellen Wachstum: "Robinhood ist wohl eines der heißesten Eisen an der Börse, an dem sich Anleger die Finger verbrennen könnten", sagt Analyst Konstantin Oldenburger vom Online-Broker CMC Markets gegenüber dem "Handelsblatt".

Wer ist Robinhood?

Die Handelsplattform wurde vor sechs Jahren in Kalifornien von Sympathisanten der Occupy-Wall-Street-Bewegung gegründet und positionierte sich mit einer Demokratisierung des Anlageprozesses. Der sogenannte Neobroker verdient Geld, wenn Nutzer möglichst viele Transaktionen tätigen. Dabei ermöglicht er nicht nur Aktienhandel, sondern auch Optionen auf Kryptowährungen.

Kunden werden zu großen Brokerhäusern weitergeleitet, für die Vermittlung erhält Robin Hood eine Provision. Das nennt sich "Payment for Order Flow". Bei dem Konzept tut sich der Verdacht auf, dass Kunden nicht zum Broker mit dem besten Angebot, sondern zu dem mit der höchsten Provision weitergeleitet werden. Aus diesem Grund wurde Robinhood im Dezember von der US-Börsenaufsicht SEC zu einer Zahlung von 65 Millionen Dollar verurteilt. Am Geschäftsmodell hielte die Plattform fest.

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Der Börsenauftakt von Robinhood missglückte.
Foto: REUTERS/Andrew Kelly

Weiters verkauft Robinhood Transaktionsdaten der Anleger an Hochfrequenzhändler, dazu zählen auch Hedgefonds. Sie bekommen die Daten, noch bevor die jeweiligen Deals abgewickelt wurden. Da es im Hochfrequenzhandel um jede Zehntelsekunde geht, profitieren die Player von diesen Informationen und können sich dementsprechend positionieren.

Sammelklage

Ohnehin hat das Unternehmen jede Menge rechtlichen Ärger. So laufen auch Sammelklagen von Nutzern, die sich wegen technischer Pannen am Wertpapierhandel gehindert sahen oder dem Broker Fehler bei der Orderausführung vorwerfen. Darüber hinaus klagten rund 2.000 Kunden, deren Konten angeblich beim Hackerangriff gekapert wurden. Weitere Sammelklagen gegen Robinhood drehen sich etwa um Verletzungen treuhänderischer Vertragspflichten zum Nachteil von Nutzern. (and, 30.7.2021)