Objekt regionalen Interesses, bei Politik wie Publikum: "Bundesland heute", hier in einer ORF-Collage zum 30-Jahr-Jubiläum des Regionalformats 2018.

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Wien – Neun womöglich entscheidende Stimmen von 35 haben die Bundesländer im ORF-Stiftungsrat bei der Generalswahl am 10. August. So touren Bewerber um die ORF-Führung ab 2022 in diesen Wochen durchs Land, um den einen oder anderen Stiftungsrat für sich zu gewinnen. Und dieses Werben zeigt sich auch in den Bewerbungskonzepten der Generalskandidaten aus dem ORF-Management.

  • DER STANDARD arbeitet sich schrittweise durch die Konzepte der ORF-Bewerber und berichtet über Zugänge, Themen, auch Details aus den schriftlichen Vorstellungen der Kandidatinnen und Kandidaten. Einen ersten sehr groben Konzeptüberblick finden Sie hier. Mehr über die Pläne für die Führungsstruktur unter dem Generaldirektor finden Sie in diesem Überblick zum Direktorium.

Landeshauptmann, Stiftungsrat, General

Denn in der ORF-Regionalliga gilt: Landeshauptleuten ist der passende ORF-Landesdirektor (bisher großteils männlich) für die wichtigste mediale Bühne der Region noch ein Stück wesentlicher als der ORF-Chef auf dem Küniglberg. "Bundesland heute" zählt, die neun Ausgaben zusammengenommen, zu den meistgesehenen Sendungen des ORF. Die ORF-Stiftungsräte entscheiden laut Gesetz gänzlich unabhängig und weisungsfrei von den Stellen, die sie entsenden.

Aber die Landeshauptleute haben laut Gesetz ein Recht auf Vorinformation, welchen Landesdirektor oder welche Landesdirektorin der nächste ORF-General dem Stiftungsrat vorzuschlagen gedenkt. Und Gedankenaustausch zwischen Landeshauptmann und ORF-Stiftungsratsmitglied ist nicht untersagt.

Die Bundesländer-Stiftungsräte und die Landesdirektoren haben im Juni ein Wunschprogramm für den nächsten ORF-General oder die nächste ORF-Generalin deponiert. Vieles davon findet sich in den Generalskonzepten wieder.

Die Generalskonzepte für die Bundesländer

Der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz nutzt etwa die Sommerfestspiele für angeregten Austausch mit Stiftungsräten und anderen Landesgrößen.

In seinem Konzept kündigt Wrabetz eine "Stärkung des Landesstudios" an, "finanziell und personell", sowie mehr personelle und finanzielle Autonomie.

Er kündigt an: regionale Kurznachrichten der Landesstudios in ORF 2 im "Spätabend" – Länderwunsch: vor der "ZiB 2" – sowie ein "regionales Diskussionsformat am Wochenende". Zudem verspricht Wrabetz für seine vierte Amtszeit an der ORF-Spitze, "regionale Podcast- und digitale Live-Streaming-Angebote auszubauen".

Wrabetz stellt mehr Gemeinschaftsproduktionen nach dem Vorbild von "9 Plätze, 9 Schätze" in Aussicht, mehr regionale Sendungen als Lokalausstieg im Hauptabendprogramm. "In Zusammenarbeit mit dem jeweils zuständigen Channel-Management sind hierfür neue, massenattraktive Konzepte zu entwickeln."

Über den "ORF-Kultursommer" hinaus sollten "mithilfe der Landesstudios Kulturübertragungen aus allen Bundesländern auch unterjährig zur Regel werden".

"Originalität, nicht Selbstverzwergung"

ORF-1-Managerin Lisa Totzauer betont die Notwendigkeit, "die Landesstudios mit mehr Ressourcen zu stärken. Sie sollen noch mehr Gewicht bekommen und regional digital voran gehen. Die emotionale Bindung der ZuseherInnen an uns ist ein Schatz, den uns niemand wegnehmen kann – außer wir achten zu wenig darauf. Wenn das Angebot des ORF heutzutage gemäß Studien in erster Linie aus purer Gewohnheit und weniger unseres Programmes wegen konsumiert wird, dann kann uns das nicht genügen. Gleichzeitig wissen wir nämlich, dass unser Publikum dort abgeholt werden will, wo es lebt. Und das ist in Österreich und seinen Bundesländern. Regionalität steht für Originalität und hat nichts mit Provinzialisierung oder gar Selbstverzwergung zu tun, im Gegenteil: Der Blick in die Regionen macht unser aller Horizont größer. Der Programmauftrag an uns ist daher klar: Wir müssen die Beziehung zur Bevölkerung stärken, mit österreichischem Programm. Das ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für uns."

Totzauer verweist auf die regionale Produktion von Unterhaltung, auch für wirtschaftliche Wertschöpfung in den Bundesländern. "Unsere fiktionalen Formate spielen nicht im fiktiven Österreich, sondern wie z. B. 'Soko Linz' ganz konkret dort, wo unsere KonsumentInnen wohnen – beliebt und wiedererkennbar in allen neun Bundesländern Österreichs. Unsere Aufgabe im Bereich der regionalen Berichterstattung ist es, lokal verortete Themen in einen bundesweiten und einen internationalen Kontext zu setzen."

Es sei nötig, "mehr Geld in das Regionalprogramm zu bringen. Zusätzlich erhalten die Landesstudios mehr Möglichkeiten, für digitale Plattformen zu produzieren." Auch da gibt es bisher gesetzliche Beschränkungen für den ORF.

"Professionalität und Effizienz steigern"

Vize-Finanzdirektor Roland Weißmann kündigt ebenfalls Stärkung, mehr Autonomie und mehr digitale Möglichkeiten für die neun Landesstudios an. Er verweist in seinem Konzept darauf, dass mehr als drei Viertel der Menschen unter 30 in den Bundesländern lebten und sich "stark mit ihrer Kultur und Heimat identifizieren".

Bestehende Regionalsendungen würden "aufgrund ihres verlässlichen Stammpublikums aufgewertet", schreibt Weißmann etwas allgemein. Er will zudem für die Landesstudios "neue Sendeflächen, vor allem in der Primetime, finden". Information funktioniere vor allem anlassbezogen – Vorbilder für neue Programmflächen seien auf ORF 2 der "Klimatag", bei dem regionale Inhalte aus den Landesstudios einen ganzen Tag national ausgestrahlt wurden, ebenso "grundsätzlich regionale Schwerpunkte, die mittels Lokalausstieg in Zukunft mehr Fläche bekommen sollen".

Den Landesstudios stellt Weißmann "Digital-Units" in Aussicht, "um junge Zielgruppen in den nicht-urbanen Regionen in Zukunft besser anzusprechen". Sie sollen – untereinander vernetzt – Online-Content für ihre individuellen Channels produzieren. Weißmann schreibt auch von gemeinsamen, Landesstudio-übergreifenden Projekten. Zugleich betont er "einheitliche Qualitäts- und Distributionsstandards sowie ein zentrales Community-Management", um "Professionalität und Effizienz zu steigern" und die regionalen Angebote mit der Streamingplattform ORF-Player zu vernetzen.

Und Weißmann betont: "Dafür werde ich die Landesstudios adäquat mit neuem Personal und dem notwendigen Budget ausstatten."

Prantner: Landesdirektor/in in Geschäftsführung

Technikvizedirektor Thomas Prantner schlägt vor, "im Sinne der Aufwertung der Landesdirektori/Innen und verbesserten Wahrnehmung der Interessen der ORF-Landesstudios" jeweils einen Landesdirektor oder eine Landesdirektorin für ein halbes Jahr ins Zentraldirektiorium zu holen und ihnen dort "Sitz und Stimmrecht" zu geben. Damit könne jedes Bundesland für je ein halbes Jahr pro Geschäftsführungsperiode "auf höchster Managementebene an Unternehmensentscheidungen mitzuwirken". Das sei in einer neuen Geschäftsführung "verbindlich festzulegen".

Die neun Länderstimmen haben viel Gewicht im Stiftungsrat. (fid, 30.7.2021)