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Tiktok ist nicht das erste soziale Netzwerk, das die Stellensuche auf seine Plattform integriert.
Foto: REUTERS

Von Pranks (eine Art Streich) über Tänze bis hin zu iPhone-Tricks wischt sich der Nutzer in der Social-Media-App Tiktok durch allerlei Kuriositäten. Mehr als eine Milliarde Nutzer zählt Tiktok auf der Welt. Mittlerweile wird die App auch für die Jobsuche genutzt. Vor wenigen Wochen hat die Plattform das Bewerbungstool Tiktok Resumes gestartet. Auf der Seite www.tiktokresumes.com können sich Jobsuchende noch bis Ende Juli gezielt auf Stellenausschreibungen bewerben. An dem Pilotprogramm nehmen Unternehmen wie Abercrombie & Fitch, Chipotle oder Sony teil.

In einem ersten Schritt müssen Kandidaten unter dem Hashtag #TikTokResumes ein Video posten, in dem sie wie bei einem Bewerbungsgespräch ihren Lebenslauf referieren und kurz begründen, warum sie für die Stelle geeignet sind. In einem zweiten Schritt müssen die Kandidaten dann auf der Webseite eine formale Bewerbung mit Namen, E-Mail-Adresse und dem Link zum Tiktok-Bewerbungsvideo abschicken. Die Personaler können dann aus den hochgeladenen Videos eine Vorauswahl treffen und interessante Bewerber zum Gespräch einladen. Neben diesem formalisierten Weg gibt es auch die Möglichkeit der Blindbewerbung. Karriereberater geben in lockeren Erklärvideos Bewerbungstipps.

Unter dem Hashtag #TikTokResumes können Nutzer ein Bewerbungsvideo posten.
Foto: Screenshot Tiktok

Bewerben via Social Media

Tiktok ist nicht das erste soziale Netzwerk, das die Stellensuche auf seine Plattform integriert. So hat die Foto-App Snapchat vor einigen Jahren die Funktion Snaplications eingeführt, wo sich User direkt auf Stellen bei McDonald’s bewerben konnten. Auch bei Facebook können Unternehmen Stellenanzeigen schalten. Allein die Generation Z ist immer weniger auf Facebook aktiv, und auch Linkedin ist eher ein Networking-Tool für ältere Semester. Daher wollen Unternehmen Berufseinsteiger dort abholen, wo sie ohnehin schon sind: auf Tiktok.

Unter den Einsendungen finden sich durchaus kreative Beiträge, etwa ein Bewerbungsvideo für ein Praktikum beim NBA-Team Detroit Pistons, in dem ein Student in seine Vita persönliche Erinnerungen einflicht. Fotos mit Klublegenden, ein kurzes Video im Fanblock – wie könnte man stärker seine Identifikation mit einem Unternehmen zum Ausdruck bringen als mit einem Handyvideo, wo man die Mannschaft lautstark mit "Defense" anfeuert?

Die große Mehrheit der Clips ist – typisch für Tiktok – heiter, ironisch, burlesk. So bewarb sich eine junge Frau auf ein Praktikum im Marketing mit Perücke im Badezimmer. Mit einem solchen Outfit würde niemand zum Bewerbungsgespräch erscheinen. Für das Medium ist dieser Look aber angemessen. Die Bewerber geben bewusst Einblicke in ihr Privatleben und versuchen sich damit von der Masse abzuheben.

Videobewerbung auf dem Vormarsch

Immer mehr Unternehmen verlangen heutzutage ein Bewerbungsvideo, vor allem im Trainee-Bereich. Wenn man eine Stelle haben will, ist Kreativität gefragt. Skript schreiben, Video drehen, schneiden, Sounds aussuchen – das gehört heute fast zum Standardrepertoire.

Der Soziologe Andreas Reckwitz erklärt in seinem Buch Die Gesellschaft der Singularitäten, wie Individuen ständig dazu gezwungen sind, vor einem Publikum zu performen: "Das Subjekt ist in der Spätmoderne mehr und mehr identisch mit seiner Performance vor einem Publikum – und das Internet ist seine zentrale Arena."

Auf den ersten Blick ist das Bewerbungstool von Tiktok eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Kandidaten haben einen direkten Draht zu Unternehmen, die Personalabteilung bekommt eine Vorauswahl serviert, und die Plattform erhält kostenlosen Content. Experten aber haben Zweifel, ob der Bewerbungsprozess fair und transparent ist.

Diskriminierung und Datenschutz

Chloé Chanudet, Marketing-Chefin des Modelabels Adore Me, das mit dem Tool experimentierte, äußerte in der New York Times die Sorge, dass Plus-Size-Frauen oder People of Color durch den Algorithmus benachteiligt werden könnten.

Die Sorge ist nicht unbegründet: Übergewichtige Influencerinnen berichteten gegenüber CNN, dass Tiktok Videos von ihnen in Unterwäsche wegen angeblicher Nacktheit gelöscht habe. Nacktheit und sexuelle Handlungen sind laut den Community-Richtlinien auf der Plattform nicht gestattet. Das Problem ist auch bei Instagram bekannt. Dort wurden wiederholt Fotos leicht bekleideter Curvy Models zensiert – offenbar, weil der Instagram-Algorithmus Bilder, auf denen über 60 Prozent Haut zu sehen ist, meldet. Nach Recherchen des Blogs netzpolitik.org wurden Tiktok-Moderatoren sogar angewiesen, Videos von dicken und behinderten Menschen zu verbergen. Begründet wurde dies mit Schutz vor Mobbing. Mit den Vorwürfen konfrontiert, räumte das Unternehmen "Fehler" ein.

Aber auch datenschutzrechtliche Aspekte sind problematisch, weil dabei Bild- und Tonaufnahmen und damit personenbezogene Daten verarbeitet werden. Tiktok hat sich kürzlich durch eine Änderung seiner Datenschutzbestimmungen in den USA das Recht vorbehalten, biometrische Daten von Gesichtern und Stimmen seiner Nutzer zu sammeln. Wer Tiktok als Karrieresprungbrett nutzt, sollte wissen, dass er dafür einen Preis zahlt. (Adrian Lobe, 1.8.2021)